Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)
Sie wissen ganz genau, was in diesem Club vorgeht, und stehen mit geradezu fanatischer Loyalität hinter dem Prinzen, der dieses Refugium hier für sie eingerichtet hat.
»Sie sollen hier oben bleiben, in ihrem eigenen Stockwerk«, hat Elliott mir erklärt. »Mein Onkel weiß, dass es dem Geschäft schaden würde, wenn sie sich unten herumdrücken würden, aber ihm ist auch bewusst, wie wertvoll skrupellose Männer sein können, die nichts mehr zu verlieren haben.«
»Wer waren diese Männer? Früher, meine ich«, frage ich.
»Männer, die die Drecksarbeit für ihn erledigt haben. Verbrecher, Attentäter. Leider ist das Buch, das ich brauche, dort oben, wo sie sich aufhalten. Aber sie dürfen nicht erfahren, dass ich es habe.«
Schließlich gelange ich zu einem von Regalen gesäumten Korridor, der genauso aussieht, wie Elliott ihn beschrieben hat. Ich soll nach dem Buch mit einem grünen Rücken voller Stadtpläne suchen, aber ein konkretes Buch zu finden, während man so tut, als schlendere man beiläufig vor den Regalen hin und her, erweist sich als reichlich schwierig.
Ich bin so nervös, dass ich es um ein Haar übersehe. Ein offenes Auge starrt mir vom Buchrücken entgegen. Im düsteren Schein der Beleuchtung ist die goldfarbene Prägung kaum zu erkennen. Ich ziehe es heraus, verdecke es mit einem weiteren Buch und mache kehrt. Das Herz schlägt mir bis zum Hals.
In diesem Augenblick löst sich ein Mann aus den Schatten und vertritt mir den Weg.
»Haben Sie sich verlaufen?« Es ist der alte Mann mit den kalten Augen.
»Ich wollte mich mit jemandem treffen«, sage ich, um zu signalisieren, dass ich nicht allein hier bin.
»Zu meiner Zeit wäre es jungen Damen nicht einmal im Traum eingefallen, solche Bücher zu lesen.« Er blickt auf den Umschlag des Buches, mit dem ich das andere verdecke und mir gegen die Brust drücke.
Auf dem Umschlag ist eine Gestalt zu erkennen, besser gesagt, sogar zwei. Meine Wangen glühen. Das glucksende Lachen des alten Mannes schlägt in einen schleimigen Husten um.
»Ich habe Sie schon mal gesehen«, fährt er fort. »Wir haben Sie gesehen.« Sein Blick fällt auf seine Freunde. »Ihr Haar ist so schön violett.«
Knorrige Finger streichen mir übers Haar. Ich habe Mühe, Luft zu bekommen.
»Ich muss mich jetzt mit meiner Freundin treffen«, sage ich und wende mich ab, sorgsam darauf bedacht, das Buch vor ihm verborgen zu halten.
»Sie hätten Ihre Freundin mitbringen sollen.«
Sein Blick wandert an meinen Beinen entlang, die entblößt sind, um zu zeigen, dass ich nicht krank bin. »Danke für Ihre Hilfe«, sage ich über die Schulter hinweg und mache mich bereit, notfalls meine Schritte noch weiter zu beschleunigen, falls er mir folgen sollte. Die anderen Männer stehen auf, lassen ihre Karten fallen und schieben ihre Stühle zurück.
Meine Beine fühlen sich zentnerschwer an, als könne ich sie kaum heben.
»Sollten Sie jemals Mühe haben, den Weg zu finden, dürfen Sie gern fragen.« Etwas in seiner Stimme lässt die anderen innehalten.
»Das werde ich«, sage ich. »Das werde ich.« Ich haste den Korridor entlang.
»Wir helfen immer gern«, ruft er mir hinterher.
Am Fuß der Treppe lasse ich mich auf den Boden sinken und lehne mich gegen den Wandteppich. Ich zittere am ganzen Leib. Ich bin nicht sicher, ob ich jemals wieder aufstehen kann. Vielleicht muss ich ja für den Rest meines Lebens auf diesem ekligen, verschmutzten Teppich sitzen bleiben. Elliott hätte auf mich warten sollen. Und Will … Wo ist Will?
Aber hier ist niemand. Und ich kann nicht hierbleiben. Jemand könnte hereinkommen, während die Bücher offen neben mir liegen. Ich greife danach und stehe auf. Die Vögel starren mit ihren dunklen Knopfaugen von dem Wandteppich auf mich herab.
N EUN
I ch reiße die Tür zu Elliotts Privaträumen auf, trete ein, schlage sie hinter mir zu und lasse mich schwer atmend mit dem Rücken dagegen sinken.
»Zu viele Treppen?«, fragt er lässig und gibt mir einen Moment Zeit, um mich zu fangen. Während sich meine Atmung allmählich normalisiert, lasse ich den Blick durch den Raum schweifen. Soweit ich weiß, hat April nie einen Fuß in diese Zimmer gesetzt. Wir haben früher sogar Witze darüber gerissen, dass diese Räume wohl der Ort sind, wo sich die wahren Ausschweifungen abspielen, denen der Club seinen Namen verdankt.
Was würde meine Mutter sagen, wenn sie wüsste, dass ich mitten in Elliotts Schlafzimmer stehe?
Doch in Wahrheit sieht es hier
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