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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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unten bleiben«, sage ich.
    Vater ist zu entmutigt, um Nein zu sagen.
    Die hasserfüllte Szene, gefolgt von dem Schuss, von dem wir so getan haben, als hätten wir ihn nicht gehört, fordern offenkundig ihren Tribut.
    Niemand scheint mich zu beachten, also schlüpfe ich wieder hinaus. Ich öffne die Tür selbst, um dem Pförtner keine Gelegenheit zu geben, Fragen zu stellen. Vor dem Haus bleibe ich kurz stehen, als zwei Dampfkutschen vorbeifahren. Normalerweise sieht man höchstens eine Kutsche pro Stunde, aber um diese Uhrzeit sind wohl viele Leute auf der Suche nach ein bisschen Abwechslung.
    Auf halber Strecke kommt Will mir entgegen. Er streckt die Hände nach mir aus, lässt sie aber wieder sinken und bedeutet mir, ihm in die Nische zu folgen, in der er Schutz vor dem Regen gesucht hat. Es ist der Eingang zu einem Laden, der schon vor Jahren dichtgemacht hat. Die Tür ist vernagelt, und im Schaufenster sind nichts als Staub und die Hüllen von vertrockneten Insekten zu sehen.
    Ein Fetzen Stoff liegt in der Ecke. Ich berühre ihn mit dem Schuh. Er ist eine kleine Stoffmütze. Höchstwahrscheinlich hat ihr Besitzer hier übernachtet, im Schutz vor Wind und Regen. All die Jahre bin ich durch die reich verzierte Tür der Akkadian Towers getreten, ohne zu ahnen, dass im Eingang des verwaisten Geschäfts ein Kind haust.
    »Was tust du denn hier?«, frage ich.
    »Ich habe gewartet. Auf dich.«
    Ein unbändiges Glücksgefühl durchströmt mich. Doch dann überkommen mich Zweifel.
    »Du hast gewartet?«
    »Ich musste die ganze Zeit an dich denken, seit du heute Nacht gegangen bist. Ich habe mir Sorgen gemacht …«
    Der Regen ist in ein feines Nieseln übergegangen. Winzige Tropfen glitzern auf seinen nackten Armen, und sein dunkles Haar klebt ihm an Gesicht und Hals.
    Ich sehe den Portier aus dem Haus treten. Suchend lässt er den Blick über die Straße schweifen, dann sagt er etwas. Zu wem? Einem der Wachleute?
    »Gehen wir ein Stück«, schlage ich vor.
    »Gute Idee«, sagt er, obwohl er den ganzen Weg zu Fuß hierhergekommen ist. Obwohl es gefährlich ist und er bald wieder quer durch die Stadt muss, um zur Arbeit zu gehen. »Geht es dir gut?«, fragt er schließlich. »Seid ihr sicher nach Hause gekommen?«
    Ich muss an die grauenhafte Fahrt denken, an den über die Straße gespannten Draht. Den zerborstenen Krokodilschädel.
    »Mir geht es gut.«
    »Im Club bist du nicht sicher. Nicht mehr.« Er räuspert sich. »Normalerweise kommen die Männer aus dem oberen Stockwerk nie nach unten. Aber heute Nacht haben sie dich gesucht. Das Mädchen mit dem violetten Haar. Und Elliotts Privaträume wurden ebenfalls durchstöbert.«
    Elliott hatte das Buch bei sich, als wir gestern Nacht den Club verlassen haben, aber wer weiß, was sie sonst noch gefunden haben?
    »In der Zeit, bevor der Tod etwas Alltägliches wurde, waren diese Männer Mörder«, fährt er fort.
    Ich erinnere mich noch genau an die Augen des alten Mannes, deshalb glaube ich Will aufs Wort.
    Er wirft mir einen kurzen Blick zu, den ich nicht einordnen kann. »Es scheint, als hätten sie erwartet, dich in Elliotts Schlafzimmer zu finden.«
    »Wie gut kennst du ihn?«, frage ich. »Elliott, meine ich.«
    Inzwischen haben wir das Ende des Häuserblocks erreicht und biegen in die schmale Gasse hinter den Akkadian Towers ein.
    »Nicht besonders gut. Und ich habe auch keinerlei Bedürfnis, ihn näher kennenzulernen.«
    Gerade als ich weiterfragen will, fällt mein Blick auf etwas hinter einem Stapel Holz. Es ist ein Schuh. Und bei genauerem Hinsehen erkenne ich einen Knöchel, der darin steckt.
    Ein Kinderfuß in einem teuren Schuh.
    Wieder beginnt es zu nieseln. Niemand würde sich freiwillig im Regen in den Schlamm legen … Der Junge ist tot. Er ist in einer Gasse gestorben, die so eng ist, dass die Leichensammler ihn nicht herausholen können. Wir befinden uns im Schatten der Akkadian Towers, Haus Zwei – dem halbfertigen Gebäude, von dem die Leute behaupten, es sei verflucht.
    Der Laut, den Will von sich gibt, verrät mir, dass der Anblick ihn entsetzt, aber keineswegs überrascht. Der tote Junge trägt eine Maske. Vielleicht ist er von zu Hause weggelaufen. Oder er hat sie gestohlen. Will blickt auf die Maske. Sie ist strahlend weiß und ungewöhnlich sauber für eine Kindermaske.
    »Ich kann mir nicht vorstellen …«, beginnt er. Ich weiß genau, was er gleich sagen wird.
    »Niemand kann die Maske von jemand anderem tragen. Das weiß ich besser als jeder

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