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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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bringen. Aber im Eifer des Gefechts wirft man allzu schnell jede Vorsicht über Bord, vor allem, wenn jemand sich seiner Sache so sicher ist wie Elliott. Aber nun, da er nicht hier ist, erscheint es mir plötzlich unmöglich, dem Prinzen die Kontrolle über die Stadt und ihre Menschen zu entreißen.
    Mutter zieht sich in einen ihrer hübsch eingerichteten Salons zurück. Auch dort welken die Blumen in den Vasen vor sich hin. Schließlich kommt Vater wieder herauf, und trotz meines schlechten Gewissens freue ich mich darauf, ein bisschen Zeit mit ihm zu verbringen. Gefolgt von den Wachleuten, durchqueren wir die Lobby und treten hinaus auf die Straße.
    »Deine Mutter wünscht sich Blumen«, sagt er. »Sie mag die Rosen nicht, die dein Freund mitgebracht hat.«
    In Wahrheit will er damit sagen, dass sie Elliott nicht mag, aber die Blumen liefern uns eine willkommene Ausrede, dem Penthouse für eine Weile zu entfliehen. Die Angestellten behalten uns ständig im Auge. Vielleicht wundern sie sich ja über unser stetes Kommen und Gehen. Die meisten Leute verlassen ihre Wohnungen nicht, vor allem diejenigen, die reich genug sind, um in einer von Bäumen gesäumten Straße leben zu können.
    Zum Markt ist es nicht weit.
    Vater zupft den Kragen meines Mantels zurecht. »Du hättest einen Schal umlegen sollen.« Er senkt den Blick. Offenbar ist ihm der kurze Ausbruch väterlicher Sorge peinlich. »Sollten wir Blumen bekommen, gehst du zurück und bringst sie ihr. Wenn nicht, gehen wir zum Pier hinunter.«
    Wir sehen zahlreiche Bettler – sogar mehr als Händler –, die sich in der Gegend um den Markt herumdrücken. Und an keinem einzigen Stand gibt es Blumen; vermutlich ein viel zu alberner Wunsch an einem so tristen Tag wie heute. Ich frage mich, wie Elliott es schafft, in einer Stadt so wunderschöne Rosen zu finden, in der Schönheit keine Rolle mehr spielt.
    Stattdessen kauft Vater zwei Scheffel Äpfel, die wir zum Zaun tragen, der errichtet wurde, damit die Bettler draußen bleiben. Er poliert einen mit seinem Hemdzipfel und reicht ihn einem kleinen Mädchen. Andere Kinder stellen sich mit hoffnungsvollen Augen auf. Hungernde Kinder sind eines der schmutzigen Geheimnisse der Oberstadt. Sollten sie das Viertel jemals verlassen, dürfen sie die Grenze nicht mehr übertreten und hierher zurückkehren. Niemand rechnet damit, in diesem Teil der Stadt arme Leute zu sehen.
    Viele der Kinder haben sich Stoffmasken umgebunden, die ihnen zwar das Gefühl vermitteln, gegen die Ansteckung gefeit zu sein, doch allein bei der Vorstellung, durch Stoff atmen zu müssen, wird mir ganz elend.
    Ein etwas größerer Junge drängelt sich nach vorn. Vater beugt sich vor und sagt etwas zu ihm. Der Junge versucht, einen Apfel aus dem Korb zu stibitzen. Einer von Vaters Wachleuten bekommt es mit und legt die Hand auf seine Muskete, doch Vater lächelt nur, schüttelt den Kopf und zeigt auf das Ende der Schlange. Der Junge betrachtet sehnsüchtig das dahinschwindende Obst, dann stellt er sich hinter einem Kind in die Reihe, das höchstens fünf Jahre alt sein kann.
    »Araby«, sagt Vater, »kauf noch mehr Äpfel.«
    Ich kaufe sämtliche Äpfel, die ich kriegen kann, und schleppe sie, Scheffel um Scheffel, zu Vater hinüber. Als der Junge, der sich nach vorn gedrängelt hatte, endlich an die Reihe kommt, haben sich viele weitere Kinder hinter ihm aufgestellt und warten. Vater drückt ihm zusätzlich eine Münze in die Hand, worauf er strahlend davongeht.
    Ich wende meinen Blick von Vaters Mildtätigkeit ab, weil ein kleines Mädchen meine Aufmerksamkeit erregt. Sie beißt zweimal von ihrem Apfel ab, dann verstaut sie ihn sorgfältig in ihrer Tasche. Es ist nicht schwer zu erraten, dass sie ihn für jemanden bunkert, der noch hungriger ist als sie selbst. Ich will ihr einen zweiten Apfel geben, damit sie ihren eigenen aufessen und den anderen mit nach Hause nehmen kann. Doch als ich nach ihr Ausschau halte, ist sie verschwunden. Es gibt so viele Kinder hier.
    Als die Wachen sehen, dass Vater den letzten Apfel verschenkt hat, treten sie zwischen uns und die ausgestreckten Arme. Beim Anblick des letzten Apfels in meiner Hand hebt Vater eine Braue, sagt jedoch nichts. Seite an Seite gehen wir zum Hafen hinunter.
    An den Türen prangen zahllose rote Sensen. Und auf einer eine schwarze. Es ist sehr schlau, für die Rebellion ein ähnliches Symbol zu wählen wie für die Seuche. Wenn man nicht genau hinsieht, bemerkt man kaum den Unterschied.
    Im Hafen

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