Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)
erröte.
»Ja, das stimmt, wir haben beide unsere eigenen Zimmer«, sagt er, beugt sich vor und drückt einen Kuss auf meine Schläfe, wo die Maske endet, zärtlich, aber verheißungsvoll. »Aber die Aussicht aus dem Fenster hier ist so schön.«
Er führt mich zu dem vergitterten Fenster. Ich blicke hinaus auf die sorgsam gepflegten Rasenflächen mit den Bäumen und den Sümpfen, die sich rings um das Schloss erstrecken. Elliott dreht mich sanft so hin, dass ich das Hügelland sehen kann. Ich kann zwar die Höhlen von hier aus nicht erkennen, aber mir ist klar, dass er mich an sie erinnern will.
»Sie müssen jetzt gehen.« Der zweite Wachmann scheint drauf und dran zu sein, Verstärkung zu rufen.
Elliott bugsiert mich aus Mutters hübsch gestaltetem Gefängnis und durch den Vorraum, während er seine Maske zurechtrückt. Er nimmt meine Hand und verschränkt seine Finger mit meinen. Wir gehen ganz langsam, obwohl ich am liebsten rennen würde, vorbei an den Kanonen und die Wendeltreppe hinunter. Als wir den Hauptbereich des Turms erreicht haben, lässt er meine Hand los.
»Hervorragend. Jetzt werden sie nicht herumerzählen, der Neffe des Prinzen hätte in Zimmern herumgeschnüffelt, in denen er nichts zu suchen hat, sondern tuscheln, dass Mr Elliott und seine hübsche Verlobte die Finger nicht voneinander lassen können.«
Obwohl es albern ist, muss ich an Elliotts Informantin, das hübsche Dienstmädchen, denken. Ich frage mich, was sie empfinden wird, wenn ihr die Gerüchte zu Ohren kommen. Wenn sie ihr Leben aufs Spiel setzt, nur um für ihn zu spionieren, ist sie ganz bestimmt verliebt in ihn.
»Komm, es wird Zeit, meinem Onkel Guten Morgen zu sagen.«
Ich fühle mich, als würde mir jemand die Luft abschnüren. Wie kann ich mich im selben Raum wie sein Onkel aufhalten? Ich will Prinz Prospero niemals wiedersehen.
»Tut mir leid«, sagt er und dreht sich um, als er merkt, dass ich vor einer verrosteten Rüstung stehen geblieben bin, »aber ich war mir sicher, dass du es weißt.«
»Nein.«
»Bis gestern Abend dachte ich noch, das sei der Grund …« Er hält inne, während ich darauf warte, dass er fortfährt. »Ich dachte, das sei der Grund, weshalb du nicht willst, dass ich dich anfasse. Wegen meinem Onkel und deiner Mutter.«
Ich schüttle den Kopf. »Ich fasse niemanden gern an. Nicht nur dich nicht.«
Sein Onkel und meine Mutter. Allmählich dämmert mir die Wahrheit. Sie hat mich gar nicht im Stich gelassen.
»Elliott, ich kann ihm nicht ins Gesicht sehen.«
»Du musst. Lächle. Benimm dich ganz normal. Lass dir nicht anmerken, dass du wütend bist.«
Mein Drang, alles zu vergessen, ist stärker denn je. Noch stärker als in der Nacht, als ich Elliott das erste Mal begegnet bin. Ich brauche ihn nicht danach zu fragen. Er zieht die Spritze aus seiner Tasche.
»Glaubst du, das hier hilft dir?«
Ich sollte Nein sagen. Das ist mir klar, aber ich muss für eine Weile meine Gedanken ausschalten. Also strecke ich ihm den Arm hin.
Es ist genauso wie früher, nur dass ich Elliott nun kenne und ihm beinahe vertraue.
Als es vorüber ist, kann ich weitergehen und etwas auf mein Gesicht zaubern, von dem ich sicher bin, dass es als Lächeln durchgeht. Ich habe mich lange in der Kunst des aufgesetzten Lächelns geübt. Was nicht allzu schwierig ist, wenn man innerlich wie betäubt ist.
Ich sehe in den Spiegel und frage mich, ob meine Pupillen erweitert sind.
»Du siehst wunderschön aus«, sagt Elliott. »Wie immer. Es ist unglaublich. Als ich dich das erste Mal gesehen habe, warst du auf dem Teppich im Grünen Salon im Debauchery Club ohnmächtig geworden. Ich dachte, du bist tot. Das ist wohl meine erste Vermutung, wenn ich jemanden auf dem Boden liegen sehe. Du hast wunderschön ausgesehen, und ich war so froh, als deine Augenlider gezuckt haben und ich gemerkt habe, dass du noch lebst.«
Er streckt die Hand aus und befingert den Kragen meines Kleides, als wolle er ihn zurechtrücken, obwohl ich bezweifle, dass das notwendig ist.
»Und ich lasse mich nicht so leicht von Schönheit beeindrucken«, fügt er hinzu.
V IERZEHN
E lliott bleibt stehen, um sich zu sammeln, und atmet einige Male tief durch, bevor wir den Thronsaal betreten. Ich sollte Beklommenheit, Ekel oder Furcht empfinden, aber ich fühle gar nichts.
Die Höflinge scharen sich um eine der Türen. Dienstboten folgen ihnen mit Weinflaschen und Körben voller Köstlichkeiten.
»Wir machen einen Ausflug«, verkündet Prinz
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