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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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von wo aus sich für einen Moment ein Ausblick auf die Stadt bietet. Wunderschön, verseucht und dem Untergang geweiht.
    Ein Schuss aus einer Muskete lässt mich zusammenfahren. Nach einem kurzen Moment verblüffter Stille beginnen die Passagiere zu lachen und Beifall zu spenden.
    »Sieh nicht hin.« Doch als Elliott mich an den Schultern packt, erkenne ich drei Gestalten zwischen den Felsbrocken am Ufer.
    »Sind sie krank?«, frage ich.
    »Ja.«
    »Und sie haben die Stadt verlassen und sind in die Sümpfe gezogen? Zum Sterben?«
    »Sie sterben nicht zwangsläufig.« Er sieht mich lange an. »Ich kannte mal einen Jungen, der weitergelebt hat, obwohl er sich angesteckt hatte.«
    »Was ist aus ihm geworden?«, frage ich, obwohl ich nicht sicher bin, ob ich es wirklich hören will.
    »Er hat schnell blaue Flecke bekommen und hatte überall nässende, eitrige Wunden. Alle haben darauf gewartet, dass er stirbt, dabei wirkte er nicht einmal krank und schon gar nicht bettlägerig. Stattdessen sind alle gestorben, die mit ihm in Kontakt kamen. Anfangs dachte jeder, es sei nur ein Zufall. Als sich seine Mutter auch angesteckt hat und krank wurde, hat er sich erhängt.«
    Ich schnappe entsetzt nach Luft.
    Es ist nichts Neues, dass Menschen, die sich mit der Krankheit angesteckt haben, sich das Leben nehmen. Trotzdem schockiert es mich immer noch.
    »Diese Leute, die die Krankheit in sich tragen, sind sehr gefährlich. Vor allem für ihre Angehörigen. Die meisten verlassen die Stadt und gehen hinaus in die Sümpfe. Andere werden aus der Stadt verjagt. Oder getötet.«
    Ich war noch nie in den Sümpfen, aber die Gegend macht einen sehr unwirtlichen Eindruck, mit all den Reptilien und stechenden Insekten. Ich sehe mehrere Kamine, ein winziges Dorf aus vier oder fünf Häusern. Ob Vater weiß, dass hier draußen ein Dorf entstanden ist? Wahrscheinlich.
    Inmitten der am Ufer aufgehäuften Steine mache ich eine Statue aus – ein Mädchen, das sich mit ausgestrecktem Arm aus den Trümmern erhebt. Ich zeige mit dem Finger darauf.
    »Wenn man krank wird, heißt das nicht, dass man auch sein Talent verliert«, bemerkt Elliott.
    »Erst wenn man stirbt. Dann ist es unwiederbringlich verloren«, sage ich leise. »Weiß der Prinz, dass die Leute noch lange so weiterleben können?«
    »Ja. Natürlich. Weshalb ist es wohl erlaubt, jeden zu töten, der sich mit der Krankheit angesteckt hat?«
    Gelächter weht vom Schiffsbug herüber, wo sich die festlich gekleideten Passagiere der neuesten Zerstreuung hingeben.
    Ich kann den Blick nicht von den drei Gestalten am Ufer abwenden.
    Einer fällt zu Boden. Der zweite beginnt zu laufen und versteckt sich hinter den Felsen. Der dritte sitzt nur da und sieht zu uns herüber. Wir sind zu weit weg, um sein Gesicht zu erkennen, aber ich stelle mir vor, dass seine Miene trotzig ist. Entweder will er die Wachen herausfordern, auf ihn zu schießen, oder aber es kümmert ihn nicht, ob sie es tun oder nicht.
    Wieder zucke ich zusammen, als eine Salve die Luft zerfetzt, obwohl ich damit hätte rechnen müssen. Funken explodieren, als die Kugeln gegen die Felsen prallen. Ich hole tief Luft, erleichtert, dass sie ihr Ziel verfehlt haben.
    Doch die letzte Salve lässt den Mann zusammensacken.
    Er liegt reglos da, seine Handfläche nur ein winziges Stück vom Wasser entfernt. Wir sehen zu, wie ein riesiges Krokodil aus dem Sumpf gekrochen kommt.
    Tränen laufen mir übers Gesicht. Die Wirkung der Drogen hätte länger anhalten sollen. Aber es stellt sich heraus, dass die Realität stärker ist als das, was Elliott mir verabreicht hat. Tränenblind kehre ich der allgemeinen Heiterkeit den Rücken.
    »Siehst du?« Elliott ist mir gefolgt. »Siehst du, was ich gemeint habe, als ich von Prosperos unmenschlicher Brutalität gesprochen habe?«
    Ich hasse den Ausdruck auf seinem Gesicht, als freue er sich über das, was hier gerade passiert ist, weil es untermauert, was er mir erzählt hat. Ich schließe die Augen.
    »Nur weil du etwas nicht sehen willst, bedeutet das noch lange nicht, dass es weggehen wird. Glaubst du ernsthaft, die Unmenschlichkeit würde nicht existieren, wenn du so tust, als wäre es so? Oder wenn du dich zu sehr betrinkst, um es zu begreifen? Wir haben doch alle längst vergessen, was das Leben lebenswert macht.«
    Ich presse mir die Hände auf die Ohren, um seine Stimme auszublenden.
    Für Mutter macht die Musik das Leben lebenswert. Die Musik, die Kunst, die Literatur … vielleicht sind die

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