Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)
ihnen hat eine Taschenlampe in der Hand, der andere schwenkt einen Holzknüppel. Der erste Mann schleudert die Taschenlampe zum einzigen noch intakten Fenster in dem Gebäude westlich des Parks und kommt direkt auf uns zugestürmt.
Ich stehe wie angewurzelt da, bis mich das Zerbersten der Fensterscheibe aus meiner Erstarrung reißt und mir bewusst wird, was hier passiert. Nur wenige Meter trennen mich noch von dem Mann mit dem Knüppel. Er beugt sich vor und schnappt Henry mit einer fast beiläufigen Bewegung.
Elise stößt einen Schrei aus.
N EUNZEHN
B evor ich Luft holen kann, um ebenfalls zu schreien, hat Elliott einen Säbel aus seinem Gehstock zutage gefördert. Doch die Klinge ist ganz schmal, der Knüppel des Mannes jedoch groß und schwer.
Will reißt eine Planke aus einer der Parkbänke, doch auch sie taugt als Waffe nicht viel.
»Los, tut doch etwas!«, schreie ich die Soldaten an. Der, der ihnen am nächsten steht, legt seine Muskete an und zielt, doch ich achte nicht darauf, sondern laufe zu Henry hinüber. In diesem Moment versucht April, mich am Arm zu packen. Um ein Haar landen wir beide auf dem Boden.
Der Mann, der Henry festhält, schwingt seinen Knüppel. Einen scheinbar endlosen Moment lang bin ich sicher, dass er ihn auf Elliotts Kopf niedersausen lassen wird, doch ehe der Mann sich bewegen kann, hat ihm Elliott bereits seinen Säbel in die Brust gebohrt.
Der Mann lässt den Knüppel fallen, fasst sich an die Brust und fällt auf den Rücken.
Ich werfe mich vor, doch April hat die Arme um mich geschlungen, und selbst im Flug ist mir bewusst, dass ich es nicht schaffen werde.
Henry stürzt hart zu Boden.
Mit einem Übelkeit erregenden Knacken knallt seine Maske auf den Asphalt. Endlich gibt auch der Soldat einen Schuss ab, wenn auch ins Leere, während Elliott bereits die Verfolgung des zweiten Mannes aufnimmt.
»Los, folgt ihm!«, schreit er den Soldaten zu.
Elise starrt den toten Mann an. Ihr Entsetzen ist der sichtbare Beweis dafür, wie behütet sie in Wills Wohnung aufgewachsen ist. Selbst in der Oberstadt ist der Tod an der Tagesordnung. In der Stille ertönt das Knacken von Flammen, die sich im ersten Stock des Hauses auszubreiten beginnen. Ich hoffe nur, dass sich niemand dort aufhält.
»Die haben die schöne Maske kaputt gemacht, die Miss Araby mir mitgebracht hat«, sagt Henry und hebt die Arme. Seine Stimme klingt völlig normal, was darauf schließen lässt, dass ihm weiter nichts passiert ist. Als ich ihn hochhebe, stelle ich erstaunt fest, wie leicht er ist.
»Elliott hätte ihnen nicht folgen sollen. Vielleicht waren sie ja nicht allein«, bemerkt April.
»Elliott ist bewaffnet«, gebe ich zurück.
»Die Klinge ist der reinste Witz. Vielleicht hätte Elliott ja einen klareren Kopf, wenn er nicht ständig an dich und William denken müsste.« Sie wirft mir einen scharfen Blick zu.
Henry beginnt zu zappeln, sodass ich ihn beinahe fallen lasse. Obwohl sein Vertrauen, dass ihm nichts geschehen wird, solange ich bei ihm bin, erschüttert wurde, schlingt er seine Ärmchen fester um meinen Hals.
»Bring die beiden nach Hause und sieh zu, dass sie auch dort bleiben«, sagt April zu Will. »Heute ist ein ziemlich schlimmer Tag.«
»Wer hat dich so zugerichtet, April?«, frage ich und berühre mit der freien Hand ihr Gesicht.
»Ein Wahnsinniger«, antwortet sie. »Jemand, der Grund hatte, meinen Bruder zu hassen. Und meinen Onkel.« Sie seufzt. »Elliott ist derjenige, für den wir kämpfen müssen. Er ist unsere einzige Hoffnung, nur leider macht er es uns manchmal wirklich schwer.«
»Erzählst du mir später alles?«, frage ich.
Sie nickt. Will tritt vor. Ich übergebe ihm Henry. Augenblicklich vermisse ich die Wärme seines Körpers. Es ist zu kalt, um alleine zu sein, doch ich habe alle weggeschickt.
Elliott kommt zurückgelaufen, dicht gefolgt von seinen Leuten.
»Er ist in den Untergrund geflüchtet. Wenn die Rebellen erst einmal die Katakomben für sich nutzen, wird mein Onkel die Stadt nicht mehr halten können.« Er hat die Hände zu Fäusten geballt. Ich glaube, er hat Angst, Reverend Malcontent könnte schneller sein als er. Er löst seine Fäuste, um sich zu beruhigen, und legt mir die Hand auf die Schulter. »Wir müssen jetzt gehen.« Seine Stimme ist sanft, und einen Moment lang glaube ich, dass er versteht, wie schwer mir der Abschied fällt.
»Wir können nicht einfach gehen«, sage ich.
»Wieso, hast du noch eine zweite Maske, die du dem Jungen
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