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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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ihr zu entschuldigen?«
    »Aber du hast darüber nachgedacht, es zu tun.«
    »Natürlich. Du etwa nicht?«
    Nein, bis vor zwei Tagen nicht.
    Vielleicht ist Elliott ja der bessere Mensch von uns beiden.
    »Mein Onkel kann Menschen, die etwas erschaffen, nicht verstehen. Er kennt nur eines – Zerstörung. Deine Mutter erschafft aus der Stille Musik. Das fasziniert ihn.«
    Ich habe keine Ahnung, was ich darauf erwidern soll, deshalb schweige ich und blicke auf die Stadt hinaus.
    Auf dem Bürgersteig brennt irgendetwas. Normalerweise würde ich davon ausgehen, dass jemand ein Feuer gemacht hat, um sich zu wärmen, aber heute könnte es ebenso gut ein Akt willkürlicher Zerstörung sein.
    »Wir haben uns immer schon gefragt, wieso Onkel Prospero deine Mutter hat laufen lassen. Du hattest doch einen Bruder, stimmt’s?«
    Wie kann ihm dieser Teil meines Lebens, der mich ausmacht, entgangen sein?
    »Wir waren Zwillinge.«
    Elliott begreift nicht, was das bedeutet, besitzt aber immerhin genug Anstand, »tut mir leid« zu sagen.
    Ich kämpfe mit den Tränen. Der Schmerz über Finns Verlust wird wohl niemals nachlassen.
    »Und du bist sicher, dass er tot ist?«, fragt Elliott weiter.
    »Ja.«
    »Du bist sicher, dass er nicht irgendwo gefangen gehalten wird?« Ich schüttle den Kopf. »Dein Vater schafft es seit Jahren, sich den Prinzen vom Leib zu halten. Aber auf einmal fällt Prospero ein, dass ihm das egal ist. Entweder hat er keine Angst mehr vor deinem Vater, oder aber es gibt etwas, wovor er noch größere Angst hat.«
    Elliott schnappt eine Handvoll Flugblätter, doch statt sie mir zu geben, spreizt er die Finger und lässt sie zu Boden trudeln. Trotzdem kann ich die Parole NIEDER MIT DER WISSENSCHAFT erkennen. »Ich will nicht noch eine Seuche erleben müssen. Diesen Roten Tod. Ich will nie wieder sehen …« Er zeigt auf die Stadt. Die letzten Sonnenstrahlen sind verschwunden, und die Gebäude wirken düster und trostlos. »Ich will nicht zusehen müssen, wie die Stadt bis auf die Grundmauern niederbrennt.«
    Seine Stimme bebt. Nicht so sehr, dass andere es merken würden, aber mir entgeht es nicht.
    Er biegt scharf ab.
    »Nachdem mein Onkel uns aus dem Palast hat gehen lassen, hat meine Mutter mich angefleht, mit ihr und April zusammen in unserer alten Wohnung in den Akkadian Towers zu leben. Aber dort waren viel zu viele Erinnerungen an meinen Vater, deshalb bin ich in ein Apartment auf dem Campus gezogen. Damals habe ich richtige Poesie verfasst, habe um jedes Wort gerungen. Ich war glücklich. Bis mir bewusst geworden ist, dass ich der Einzige bin, der etwas tun kann, um den Zerfall der Stadt aufzuhalten. Ich konnte etwas tun, ganz im Gegensatz zu meinem Onkel. Das ist meine Lebensaufgabe.«
    Ich kann mich nur fragen, wie jemand so arrogant sein kann. Und wieso ich ihm auch noch glaube.
    Er schweigt. Schließlich erreichen wir das Universitätsgelände. Auch für mich ist dieser Ort mit vielen Erinnerungen verbunden: Vater in seinem weißen Laborkittel. Finn, der auf einem Stuhl steht, um in ein Mikroskop spähen zu können, und die Keime beobachtet, während ich so tue, als würde ich mich nicht zu Tode langweilen. Ich war seit Jahren nicht mehr hier.
    Wir fahren an einem Gebäude mit einer Kuppel und weißen Säulen vorbei. Der Campusrasen ist grün und dicht, die weißen Gebäude nicht mit Graffitis beschmiert. Sie schimmern im spätnachmittäglichen Licht, und die Sträucher sind zu akkuraten Quadern getrimmt.
    »Die Leute, die hier leben, verbringen viel Zeit damit, die Anlage in Schuss zu halten«, erklärt Elliott. »In einigen Gebäuden finden sogar noch inoffizielle Vorlesungen statt. Inzwischen sind sie allerdings vermutlich eingestellt.« Er zeigt auf eine Parole über einem Bogenfenster. DIES IST DIE BRUTSTATT DER SEUCHE . »Inzwischen macht die Hässlichkeit vor nichts mehr Halt.«
    »Vielleicht wohnt die Hässlichkeit ja auch in jedem von uns. So sind wir nun mal, sagt Vater immer. Sie verbirgt sich nur unter der Fassade der Zivilisiertheit«, sage ich.
    »Was für ein merkwürdiger Denkansatz. Immerhin hat er die Menschheit gerettet. Glaubst du, er bereut es?«
    »Manchmal vielleicht«, sage ich halb zu mir selbst. Vater würde so etwas niemals offen zugeben. »Vor allem nach Finns Tod.«
    Elliott parkt die Dampfkutsche hinter einem hohen Gebäude und führt mich eine enge Holztreppe zu seinem Apartment hinauf. Drinnen liegen überall Bücher herum, mit Ausnahme eines Tischs, auf dem allerlei

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