Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Titel: Die Stadt in den Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
Vom Netzwerk:
»außerdem sollten wir diese beiden Toten nicht dem pathologischen Institut des Levitaniums übereignen. Auch wenn eine Untersuchung jedes einzelnen Moleküls dieser Bartträger erforderlich ist, möchte ich vermeiden, daß unsere Studenten menschliche Wesen sehen, die nicht in LEVITAD geboren sind.«
    Wie beiläufig schaltete er den großen, dreidimensionalen Stadtplan von LEVITAD an der Stirnseite des Raumes ein. Er justierte die Intensität des selbstleuchtenden Planes auf die Oberflächenschicht. Deutlich hoben sich die breiten, rechtwinkelig angelegten Straßenzüge Old Manhattans vom originalgetreu nachgebauten Pariser Stadtteil Saint Germain ab. Dort, wo im alten New York der Hudson River die natürliche Begrenzung gebildet hatte, begann in LEVITAD ohne Übergang das Wohnviertel Saint Germain. Es war ebenso groß wie das Monte-Rosa-Plateau im nordwestlichen Viertel der scheibenförmigen Stadt. Eine künstliche Seine trennte Saint Germain von den verkleinerten Bergen des Monte-Rosa-Plateaus.
    Der Fluß war nur zwei Kilometer lang. Er lief schnurgerade von den Parkanlagen um die ehemalige Raumstation Palmyra bis hin zur äußeren Begrenzung der schwebenden Stadt. Noch ehe er den mehr als hundert Meter hohen Ringwulst des GRID-Systems erreichte, stürzte er über einen künstlichen Wasserfall in tiefergelegenen Filteranlagen. Rohrsysteme brachten die Wasser des Flusses bis zum Zentrum der Stadt zurück.
    Dr. Ragano ließ ein kleines, rotes Licht über den schimmernden Stadtplan wandern. Aufmerksam verfolgten die Ressortchefs die Demonstration. Das Licht glitt über den Boulevard St. Michel, schnitt die Rue Danton und verharrte schließlich in der Rue St. André des Arts.
    »Wir alle fühlen uns als Levitanier«, sagte Dr. Ragano, »unsere Tradition ist noch keine hundert Jahre alt. Schon deshalb hängen wir mit einer Art Haßliebe an den Gebräuchen der Erde, wie sie vor mehr als hundert Jahren üblich waren. Unsere Musik, unsere Lebensgewohnheiten und selbst die Einteilung in Tag- und Nachtzeiten können wir nicht einfach vergessen. Unsere Kultur ist noch zu jung, um ein vollkommener Ersatz für die zerstörte Zivilisation der Erde zu sein.«
    Dr. Ragano ließ auf einem großen Bildschirm rechts neben dem Stadtplan ein kurzes Filmlet einspielen.
    »Dieses Lokal kennen Sie alle, meine Herren, es ist berühmt für seine historische Atmosphäre. Aber nicht nur wir schätzen es, hin und wieder kultiviert zu essen, sehen Sie sich diese jungen Leute an.«
    Dr. Ragano deutete auf den Bildschirm. An einem runden Tisch saßen acht Personen. Die Rücklehnen der Stühle wurden durch stilisierte Schwerter gebildet. Von imitierten Holzbalken hingen bunte Fahnen herab. Die Wände waren mit Darstellungen mittelalterlicher Ritter geschmückt.
    »Für uns, meine Herren, sind diese kriegerischen Reiter nie mehr als eine rührende Dekoration gewesen. Wer von Ihnen weiß noch, daß der Reiter mit den gelben Kreuzen im Panier und dem Schwanenkopf auf dem Helm Thomas Beauchamp war, der als Earl of Warwick im Jahre 1345 gestorben ist. Oder der andere dort mit den Löwen und den Lilien auf dem Schild.
    Er hieß Edward Plantagnet und wurde The black Prince genannt.«
    Mit einem feinen Lächeln blickte Dr. Ragano zur Seite. Er war sich bewußt, daß das oberste Gremium der schwebenden Stadt seine Ausführungen als unpassend empfinden mußte. Aber er hatte seinen Trumpf noch nicht ausgespielt. Er wußte mehr als seine dreizehn Kollegen. Für einige Sekunden genoß er seine Machtstellung.
    Die verborgene Aufnahmeoptik innerhalb des historischen Lokals holte die Gesichter der Gäste näher heran. »Diesen Streifen habe ich bereits vor sechs Monaten drehen lassen«, erklärte Dr. Ragano, »es tut mir leid, aber ich muß Ihnen mitteilen, daß sich meine damaligen Befürchtungen bestätigt haben.«
    Dr. Ragano hielt den Film an und zeigte auf den runden Stadtplan. »Dort liegt das Lokal. Die jungen Leute, die Sie eben gesehen haben, nennen sich Gruppe der Tafelrunde. Sie schwärmen für die angebliche Freiheit der früheren Ritter, und nun passen Sie bitte auf!«
    Dr. Ragano betätigte eine Reihe kleiner Schalter an der Seite des Stadtplans. Die Scharfeinstellung verschob sich zu den unteren Etagen. Die komplizierte Technik in den Eingeweiden der schwebenden Stadt wurde sichtbar. Verbindungskorridore, Werkhallen und Maschinenräume wechselten sich mit Lagerhallen und Aggregatkammern ab. Schicht für Schicht entblätterte Dr. Ragano die

Weitere Kostenlose Bücher