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Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Titel: Die Stadt in den Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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Panzerbunkern. Trotzdem reichte die Zeit nicht aus. Schräg über sich sah Nail McMan plötzlich das flammende Licht. Keulenförmig und mit einem langen, wabernden Schweif stürzte der Meteor mitten in das Wohnviertel. Hunderte von halbvergasten Teilen folgten dem Kernstück wie ein flammender Sprühregen. Es krachte dreimal kurz hintereinander. Eine Serie von kleineren Einschlägen hallte wie ein unregelmäßiges Echo durch die Straßen.
    Die Druckwelle traf Nail McMan genau eineinhalb Sekunden später. Er wurde gegen eine Hauswand geworfen. Mit dem Ellbogen zertrümmerte er eine Plastikscheibe. Er stieß sich ab und stürzte nach vorn. Aus seinem Unterbewußtsein tauchte schemenhaft ein Stück Vergangenheit auf.
    So sehr er sich jedoch bemühte – der Nebel über seinem Erinnerungsvermögen löste sich einfach nicht. Trotzdem hastete er weiter. Er überquerte die Rue Saint Jaques, rannte durch die Rue Saint Severin und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen.
    Flammen schlugen aus dem Rand des schwelenden Kraters. Dort, wo einmal das historische Restaurant gewesen war, das der Gruppe der Tafelrunde als geheimer Treffpunkt gedient hatte, sah Nail McMan nur noch ein ausgezacktes Loch in der Oberfläche von LEVITAD. Leichtmetallverstrebungen und angekohlte Plastikwände bildeten den Trichter. Von allen Seiten jaulten die Fahrzeuge der Bergungseinheiten heran. Kranplattformen auf gebündelten Levitan-Spulen senkten sich aus der Luft nach unten. Vollautomatische Schrotthobel stürzten in wilden Schwärmen in die Trümmer hinab. Sie sahen aus wie große, gezackte Eierhandgranaten. Levitan-Spulen und Induktionsmotoren versetzten die Außenhüllen der Schrotthobel in schnelle Umdrehungen. Aufkreischend fraßen sich die Geräte in die Trümmer. Sie hobelten und feilten die Ränder des zerstörten Trichters glatt. Und noch immer regnete glühender Staub auf die Einschlagstelle herab. Es sah aus wie das Ende eines tödlichen Regenbogens.
    Nail McMan wandte sich ab. Ein Aufschluchzen erschütterte seinen schmalen Körper. Sein ernstes Gesicht hatte einen verzweifelten Ausdruck angenommen. Dieser Schock eliminierte einen Teil der hypnotischen Behandlung im Traumatikum. Er hatte vergessen sollen. Doch der Meteor hatte unmittelbar nach seiner Behandlung eine wichtige Information aus der künstlichen Vergessenheit gerissen.
    Dort drüben – im rauchenden Krater der Vernichtung – war seine geistige Heimat gewesen. Mit schleppenden Schultern ging er weg. Er wußte nicht, wohin er sich jetzt wenden sollte. Gesichter ohne Namen tauchten vor ihm auf. Das Gift der Verbitterung wirkte der Behandlung im Traumatikum entgegen. Etwas in ihm zerbrach. Er haßte plötzlich die schmalen, imitierten Straßen, die lächerlichen Wolkenkratzer und die mit falschem Schnee bedeckten Berge des Monte-Rosa-Plateaus. Er blickte zum schwarzen Himmel hinauf, der nicht so war, wie ihn die Menschen aller Generationen jahrtausendelang gekannt hatten. Diesem Himmel fehlte die Weite und die Klarheit. Trotz seiner vielen funkelnden Sterne wirkte er so deprimierend wie ein schwarzes Leichentuch.
    Irritiert wandte Nail McMan den Blick ab. Im gleichen Augenblick sah er an der nächsten Straßenecke zwei Beamte des Instituts für Sicherheit und öffentliche Ordnung. Es war nur ein Reflex – eine ungewollte Bewegung, die Nail McMan zur Seite springen ließ. Mit der Schulter stieß er gegen eine Haustür. Wie aus weiter Ferne drang der Lärm der Bergungsmaschinen und der Rettungseinheiten von der Unfallstelle an sein Ohr.
    Die schmale Tür wurde aufgerissen. Ein spindeldürrer Mann mit rotgeränderten Augen und einem auf und ab hüpfenden Adamsapfel starrte ihn an.
    »Gut, daß Sie freiwillig kommen«, zischte er böse.
    Nail wurde in einen dunklen Vorraum gezogen. Die Tür schlug hinter ihm zu. Verwirrt versuchte Nail, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Der dünne Mann kicherte leise. Er hatte eine unangenehm hohe Stimme. Nail konnte schwören, daß er diesen Mann in seinem ganzen Leben noch nie gesehen hatte.
    *
    Das dröhnende Rauschen wurde immer unerträglicher. Schritt für Schritt kämpften sich Peter Reanny und Mona de Fries durch den Sturm. Der scharfe Wind riß und zerrte an ihren Druckanzügen. Sie klammerten sich an Führungsleisten und zogen sich langsam weiter nach vorn. Reanny hatte es längst aufgegeben, sich zu wundern. Außerdem konnte er keine Fragen stellen. Die Sauerstoffmaske bedeckte sein Gesicht und ließ nur zwei Öffnungen für die

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