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Die Stadt - Roman

Titel: Die Stadt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Benjamin zur Seite wandte und das Licht seiner Taschenlampe über die Betonwände des Tunnels strich. »Ich möchte sehen, wohin wir fahren.«
    Die Draisine rollte langsamer, als auch Benjamin den Handhebel losließ.
    »Das weiße Gleißen wurde zu einem geisterhaften Glitzern in der Luft, und wo es Waffen fand, ließ es sie verschwinden«, sagte er. »Auch wenn Dagos Leute zum Arsenal zurückkehren … Es ist leer.«
    »Du kannst es nicht gesehen haben«, erwiderte Louise, die allmählich wieder zu Atem kam und den Blick nach vorn
gerichtet hielt. »Wir waren die ganze Zeit über zusammen, und ich habe nichts dergleichen beobachtet.«
    Hinter ihnen war es ebenso dunkel wie vor ihnen. Nirgends tastete das Licht von Taschenlampen durch die Finsternis, aber Benjamin zweifelte nicht daran, dass ihnen Hannibals Leute weiterhin folgten – sie hatten zornig und entschlossen genug geklungen. Deshalb sorgte er dafür, dass die Draisine in Bewegung blieb. Ihr Quietschen und Knarren hallte durch den Tunnel, und wenn sich jemand – oder etwas – vor ihnen befand, so wusste er oder es, dass sie kamen. Es ließ sich nicht ändern.
    »Ich habe es wirklich gesehen«, bekräftigte Benjamin, während Louise die Beine nach vorn streckte und sich mit den Armen abstützte. Der Fahrtwind spielte mit ihrem braunen Haar. »Diesmal haben sich die Abwehrsysteme des Supermarkts in der ganzen Stadt ausgewirkt. Es sind nicht nur die Schusswaffen verschwunden, sondern auch alle anderen, Zwillen, Armbrüste und so weiter.« Er glaubte sogar, sich an eine Fallgrube am Rand der Stadt zu erinnern, bestimmt für Kreaturen, deren Fleisch unter anderem in Rebeccas Pfannen landete – die Speere und Lanzen darin, bestehend aus Stangen mit großen und kleinen Glassplittern, hatten sich wie Pistolen, Gewehre und alles andere in Luft aufgelöst.
    »Und wenn schon.« Louise zuckte die Schultern. »Ich schätze, uns betrifft das nicht mehr. Oder vielleicht doch. Es bedeutet, dass die Verfolger nicht auf uns schießen können.«
    Benjamin fühlte, wie er sich von den jüngsten Anstrengungen zu erholen begann – die Arbeit am Handhebel fiel ihm leichter als zuvor.
    Eine Zeit lang verhinderten nur das Quietschen und Knarren
der Draisine, dass es völlig still wurde. Benjamin leuchtete mit der Lampe nach vorn in pechschwarze Dunkelheit, die das Licht aufzusaugen schien, und fragte sich, ob in seinen oder Louises Taschen Batterien steckten.
    »Also?«, fragte Louise schließlich.
    »Also was?«
    »Wo ist die Route siebzehn?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wie bitte?« Louise drehte sich halb um. »Du hast gesagt, dass die Route siebzehn aus der Stadt führt! Aber du weißt nicht einmal, wo sie sich befindet?«
    »Ich habe gehört …«
    »Hörensagen! Lieber Himmel, Ben, bist du von allen guten Geistern verlassen? Ich bin dir ins Labyrinth gefolgt, weil ich dachte, dass du die Route siebzehn kennst !«
    »Petrow kannte sie«, verteidigte sich Benjamin. »Und er hielt sie für vielversprechend. Sie muss hier irgendwo sein. Petrow kann nur diesen Weg genommen haben.«
    Louise schüttelte den Kopf und sah nach vorn in die Dunkelheit.
    »Du brauchst dich nicht so anzustrengen, Ben«, sagte sie nach einer Weile. »Wir sind zu schnell. Wenn vor uns ein Hindernis auftaucht, sollten wir rechtzeitig anhalten können.«
    »Ich strenge mich gar nicht an. Ich …« Benjamin ließ den Handhebel los, der von ganz allein auf und ab tanzte. Und die Draisine wurde nicht etwa langsamer, sondern schneller.
    Louise stand auf. »Dies ist ein Gefälle. Die Gleise führen nach unten. Hat das Ding eine Bremse?«
    Benjamin zog an einem Hebel, der durch den Holzboden
der Draisine nach unten reichte. Das Quietschen wurde lauter, etwas brach, und plötzlich ließ sich der Hebel mühelos vor und zurück bewegen, ohne auf Widerstand zu stoßen.
    »Die Bremse ist hin«, sagte Benjamin.

49
    Immer schneller huschten die Betonwände rechts und links an der Draisine vorbei, deren Rattern und Rasseln so anschwoll, als wollte sie aus den Gleisen springen. Benjamin und Louise kauerten auf dem alten Holz und versuchten sich irgendwo festzuhalten, mieden dabei die Nähe des sich inzwischen rasend schnell auf und ab bewegenden Handhebels. Das Licht der Taschenlampe verlor sich vor ihnen in einer Dunkelheit, die nicht verriet, wohin die Reise ging.
    »Wir müssen das Ding irgendwie anhalten!«, rief Louise.
    Benjamin zerrte am Hebel der Bremse, aber so sehr er auch an ihm zog, es kam nur ein Kratzen von

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