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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Stimmen und den scheinbar unvermeidlichen tragbaren MP3-Player, aus dem in einer schon als unverschämt zu bezeichnenden Lautstärke Rap oder Ul-Qoma-Techno schepperte. Alltagslärm wie dieser konnte Tarnung sein. Corwi war eine ganze Stadt weit entfernt. Nachdem der Argwohn einmal erwacht war, kam es mir tatsächlich so vor, als verharrte jede zweite, dritte Geräuschbelästigung kurz vor Yolandas Wohnungstür.
    »Wir kennen die Wahrheit nicht.« Ich wollte noch mehr sagen, nur merkte ich, dass ich nicht genau wusste, wen ich von was zu überzeugen versuchte. Ich zögerte, und Yolanda kam mir zuvor.
    »Mahalia kannte sie. Was tun Sie da?« Ich hatte mein Handy aus der Tasche gezogen. Ich hielt es hoch, dann auch die leere Hand, als wollte ich mich ergeben.
    »Keine Panik. Ich habe nur gedacht ... wir müssen überlegen, wie es weitergehen soll. Ich kenne ein paar Leute, die uns helfen könnten ...«
    »Nein«, sagte sie. Aikam sah aus, als wollte er sich noch einmal auf mich stürzen. Ich bereitete mich darauf vor, ihn ins Leere stürmen zu lassen, schwenkte aber gleichzeitig das Handy, damit beide sehen konnten, dass es nicht eingeschaltet war.
    »Es gibt eine Option, die du nie in Erwägung gezogen hast«, sagte ich zu Yolanda. »Du könntest aus dem Haus gehen, ein Stück weiter die Straße hinunter und in die YahidStrász einbiegen. Sie liegt in Besźel.« Sie schaute mich an, als wäre ich übergeschnappt. »Da brauchst du dich nur hinzustellen und zu winken. Du könntest Grenzbruch begehen.« Ihre Augen wurden noch größer.
    Ein weiterer Ruhestörer galoppierte die Treppe hinauf, und wir warteten, bis er vorbei war. »Hast du nie darüber nachgedacht? Wer kann es schon mit Ahndung aufnehmen? Selbst Orciny wird sich das überlegen.« Yolanda richtete den Blick auf ihre in Kartons gepferchten Bücher, ihr eingepferchtes Leben. »Nach meiner Meinung wärst du dann in Sicherheit.«
    »Mahalia sagte, sie wären verfeindet.« Yolanda klang weit weg. »Sie sagte einmal, die Geschichte von Besźel und Ul Qoma wäre die Geschichte des Krieges zwischen Orciny und Ahndung. Besźel und Ul Qoma fungierten als Schachfiguren in diesem Krieg. Wer weiß, was ich von ihnen zu erwarten hätte.«
    »Nicht doch«, unterbrach ich sie. »Du weißt genau, dass den meisten Ausländern, die Grenzbruch begehen, nichts Schlimmeres passiert, als dass sie nach Hause geschickt werden ...« Sie unterbrach mich ihrerseits.
    »Selbst wenn ich das mit Sicherheit wüsste, und das tut keiner von uns, seien wir ehrlich. Ein Geheimnis seit mehr als tausend Jahren, zwischen Ul Qoma und Besźel, ein schlafloses Auge, das alles sieht. Mit eigenen Prioritäten. Sie glauben, ich wäre in Sicherheit? In den Händen von Ahndung? In dieser Zwischenwelt? Ich bin nicht Mahalia. Ich bin nicht überzeugt, dass Ahndung und Orciny Gegner sind.« Sie hob den Blick zu meinem Gesicht, und ich wich ihm nicht aus. »Vielleicht arbeiten sie zusammen. Oder vielleicht, wenn ihr Ahndung anruft, liefert ihr euch seit Jahrhunderten Orciny aus, während ihr hier sitzt und euch gegenseitig versichert, Orciny ist nur ein Märchen. Ich glaube, Orciny ist der wirkliche Name von Ahndung.«

20. Kapitel
 
    Erst hatte sie mich nicht hereinlassen wollen, jetzt wollte sie nicht, dass ich ging. »Orciny wird Sie sehen! Orciny wird Sie finden. Orciny wird Sie fangen, und dann holen sie mich!«
    »Ich kann nicht hierbleiben.«
    »Die kriegen Sie.«
    »Ich kann nicht hierbleiben.«
    Sie schaute zu, wie ich durchs Zimmer wanderte, zum Fenster und zurück zur Tür.
    »Tun Sie das nicht - Sie dürfen hier kein Handy benutzen.«
    »Nicht übertreiben.« Aber ich ließ das Handy tatsächlich ausgeschaltet, denn ich war nicht sicher, ob sie übertrieb. »Aikam, gibt es andere Wege aus diesem Gebäude?«
    »Außer den üblichen?« Einen Moment schaute er konzentriert ins Leere. »Einige der Wohnungen im Erdgeschoss stehen leer. Vielleicht kann man von da nach draußen ...«
    »Gut.« Es hatte angefangen zu regnen, Fingerspitzengetrommel gegen die undurchsichtigen Fenster. Nach der halbherzigen Verdunkelung der geweißten Scheiben zu urteilen, war der Himmel höchstens bedeckt. Waschküchengrau. Jedenfalls war diese Witterung gefühlsmäßig für eine Flucht günstiger, als wenn es kalt und sonnig geblieben wäre wie am Vormittag. Ich tigerte auf und ab.
    »Sie sind allein in Ul Qoma«, sagte Yolanda. »Was können Sie schon tun?« Ich blieb stehen und schaute sie an.
    »Vertraust du

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