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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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ist alles in Ordnung, aber ...«
    »Besondere Vorkommnisse?« Ärger, aber nicht nur, in seiner Stimme.
    »Durchaus. Ich kann jetzt nicht darüber sprechen.«
    »Kommen Sie mir nicht so!«
    »Hören Sie zu. Ich muss mit Ihnen reden, aber nicht übers Handy. Wenn Sie wissen wollen, was es Neues gibt, treffen wir uns - Moment ...« - blättern in meinem Stadtplan - »am Kaing Shé, auf dem Bahnhofsvorplatz, in zwei Stunden. Dhatt, kommen Sie auf jeden Fall allein. Die Lage ist ernst. Es steht mehr auf dem Spiel, als Sie ahnen. Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. Wie sieht's aus? Helfen Sie mir?«
    Ich ließ ihn eine volle Stunde schmoren, blieb unsichtbar und beobachtete ihn, was er als erfahrener Polizist wahrscheinlich nicht anders erwartet hatte. Der Bahnhof Kaing Shé ist der größte der Stadt, folglich wimmelte es auf dem Platz davor von Qomani, in Cafés, bei Straßenkünstlern, an Marktständen, wo sie DVDs und Elektronik kauften. Der Topolgänger des Platzes in Besźel war ebenfalls belebt, deshalb galt es, die reinräumlich mit den Qomani Schulter an Schulter flanierenden Besź zu nichtsehen. Ich stand neben einem der Zigarettenkioske, die in der Form einer qomanischen Wanderhütte nachempfunden waren, die übliche Behausung in den Feuchtgebieten, wo die frühzeitlichen Qomani in Ermangelung von Besserem ihren Lebensunterhalt aus dem Morast kratzten. Ich sah, dass Dhatt nach mir ausschaute, aber ich zeigte mich nicht. Die Abenddämmerung brach herein. Ich wartete ab, ob er sein Handy benutzte (tat er nicht) oder per Handzeichen mit jemandem kommunizierte (tat er nicht). Nur seine Miene verfinsterte sich wie der Himmel, während er eine Tasse Tee nach der anderen trank und mit Blicken die Schatten durchbohrte. Endlich trat ich vor und vollführte mit der Hand eine kleine, regelmäßige Bewegung, die seine Aufmerksamkeit weckte, und bedeutete ihm, Kommen Sie her.
    »Was zum Teufel soll das Theater?«, fragte er. »Ich hatte Ihren Boss am Apparat. Und jemanden namens Corwi. Was hat das alles zu bedeuten? Ich rieche Rauch, wo ist das Feuer?«
    »Ich nehme Ihnen nicht übel, dass Sie ungehalten sind. Sie haben recht. Die Dinge geraten in Bewegung. Ich habe Yolanda gefunden.«
    Als ich ihm nicht sagen wollte, wo sie sich aufhielt, drohte er in seiner Rage mit einem internationalen Eklat. »Das ist nicht Ihre verdammte Stadt«, raunzte er. »Sie kommen her und bedienen sich unserer Ressourcen, Sie behindern unsere Nachforschungen« und so weiter, und so weiter. Doch während der ganzen Tirade hielt er die Stimme gesenkt und ging weiter neben mir her, deshalb wartete ich, bis sein Ärger halbwegs verraucht war, dann erzählte ich ihm, weshalb und wie sehr Yolanda sich fürchtete.
    »Wir beide können ihr die Angst nicht nehmen«, sagte ich. »Machen wir uns nichts vor. Keiner von uns durchschaut diese Vorgänge. Die Unifs, die Nats, die Bombe, Orciny. Verflucht, Dhatt, nach allem, was wir wissen oder zu wissen glauben ...« Seine zusammengezogenen Brauen warnten mich, jetzt nichts Falsches zu sagen, deshalb schloss ich: »Jedenfalls stellt sich langsam heraus, dass sich etwas sehr Übles über unseren Köpfen zusammenbraut.«
    Beide schwiegen wir eine Zeitlang. »Und weshalb kommen Sie zu mir?«
    »Weil ich Hilfe brauche. Andererseits haben Sie recht, es könnte ein Fehler sein. Sie sind der Einzige, der imstande ist, der bereit ist, das Ausmaß dessen zu begreifen, womit wir es zu tun haben. Ich will Yolanda Rodriguez aus der Gefahrenzone bringen, heraus aus Ul Qoma. Betrachten Sie es nicht als Beleidigung Ul Qomas. Ich traue meinen Landsleuten ebenso wenig wie Sie. Mir geht es einzig darum, das Mädchen in Sicherheit zu bringen, weg von Ul Qoma und Besźel. Leider kann ich das nicht von hier aus schaffen, ich bin hier auf fremdem Terrain.«
    »Vielleicht könnte ich es bewerkstelligen.«
    »Ist das ein ernstzunehmendes Angebot?« Er sagte nichts. »Auch gut. Dann übernehme ich. Zu Hause habe ich Kontakte. Man ist nicht so lange in diesem Job, ohne dass man lernt, wie man sich Visa und falsche Papiere beschafft. Ich kann Yolanda verstecken, ich kann mich in Besźel in aller Ruhe mit ihr unterhalten und erfahre vielleicht Dinge, die uns weiterbringen. Wir geben nicht etwa auf, im Gegenteil. Wenn wir sie aus der Schusslinie bringen, sind wir weniger verwundbar und brauchen bei unseren Ermittlungen auf niemanden Rücksicht zu nehmen.«
    »Sie haben gesagt, Mahalia hätte sich in Besźel Feinde gemacht.

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