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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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mir?«
    »Nein.«
    »Pech gehabt. Du hast keine Wahl. Ich hole dich hier raus. Ich bin hier nicht in meinem Element, aber ...«
    »Was haben Sie vor?«
    »Ich hole dich hier heraus und bringe dich dorthin, wo ich Dinge in meinem Sinn regeln kann. Ich bringe dich nach Besźel.«
    Sie protestierte. Sie war noch nie in Besźel gewesen. Beide Städte standen unter der Kontrolle von Orciny, beide unter der Aufsicht von Ahndung. Ich schnitt ihr das Wort ab.
    »Was willst du sonst tun? Besźel ist meine Stadt. Das System hier kann ich nicht manipulieren. Ich habe keine Kontakte. Ich kenne mich nicht aus. Doch in Besźel verfüge ich über Mittel und Wege, dich außer Landes zu schaffen.«
    »Sie ...«
    »Yolanda, sei still. Aikam, keinen Schritt näher.« Die Zeit war zu wertvoll für dieses tatenlose Warten. In gewisser Weise hatte sie recht, mein Angebot nicht bedenkenlos und freudig anzunehmen: Ich konnte ihr nichts versprechen, nur dass ich mein Möglichstes versuchen würde. »Ich kann dich in Sicherheit bringen, aber nicht von hier aus. Gebt mir einen Tag. Wartet hier. Aikam, deinen Job bist du los. Du kannst nicht mehr in Bol Ye'an arbeiten. Von jetzt an hast du die Aufgabe, hier bei Yolanda zu bleiben und auf sie aufzupassen.« Er mochte nicht der effektivste Personenschützer sein, aber sein fortgesetztes Ausfragen von Kriminalbeamten und Polizei in Bol Ye'an musste über kurz oder lang noch andere Personen als mich aufmerksam machen. »Ich komme wieder. Verstehst du? Und hole dich ab.«
    Ihre Lebensmittel reichten für die nächsten Tage. Konservenfutter. Dieses kleine Wohn-/Schlafzimmer, ein zweiter, kleinerer Raum, leer bis auf den Schimmel an den Wänden, die Küche nicht zu gebrauchen, weil Strom und Wasser abgestellt waren. Das Badezimmer war kein angenehmer Aufenthaltsort, aber ein oder zwei Tage würden sie es ertragen können. An irgendeinem Wasserkran hatte Aikam mehrere Eimer gefüllt und nach oben getragen: Sie standen bereit, um den Geschäften nachzuspülen. Die zahlreichen Lufterfrischer, die er gekauft hatte, vermischten sich mit der Note »Klo naturelle« zu einer olfaktorischen Herausforderung.
    »Wartet hier«, sagte ich. »I’ll be back.« Aikam brauchte keine Englischkenntnisse, um dieses Zitat zu erkennen. Er grinste, und ich wiederholte es noch einmal mit österreichischem Akzent. Yolanda verstand die Anspielung nicht. »Ich komme zurück und hole dich«, sagte ich zu ihr.
    Im Erdgeschoss verschaffte mir schon maßvolle Gewalteinwirkung den Zutritt zu einer leerstehenden Wohnung. Vor langer Zeit hatte jemand hier mit Feuer gespielt, noch immer hing der typische Brandgeruch in der Luft. Ich stand in der glaslosen Küche und beobachtete, wie draußen die härtesten der harten Jungs und Mädchen dieses Viertels dem Regen trotzten. Ich fasste mich in Geduld, spähte in die Schatten. Nichts rührte sich, kein Mensch war zu sehen, nur das Trüppchen der wackeren Halbwüchsigen. Die Jackenärmel über die Fingerspitzen gezogen, falls im Rahmen noch Scherben steckten, flankte ich durchs Fenster in den Hof. Die Clique bemerkte mich nicht oder, falls doch, enthielt sich eines Kommentars.
    Ich weiß, worauf man achten muss, um sich zu vergewissern, dass man nicht verfolgt wird. Ich eilte die mäandernden Fußwege und Stichstraßen der Anlage entlang, zwischen Mülltonnen und Autos, Graffiti und Kinderspielplätzen hindurch, bis ich aus dem verlassenen Sackgassenland in das Leben von Ul Qoma und Besźel hinausgelangte. Erleichtert, dass ich mich unter Passanten mischen konnte und nicht die einzige zielstrebig marschierende Gestalt auf weiter Flur war, atmete ich ein wenig auf. Ich nahm die gleiche regengeduckte Haltung an wie alle anderen und schaltete endlich mein Handy ein. Die lange Liste der verpassten Anrufe verursachte mir leichte Gewissensbisse. Alle von Dhatt. Ich hatte Hunger und keine Ahnung, wie ich in die Altstadt zurückfinden sollte. Während ich auf gut Glück weiterging, hielt ich Ausschau nach dem Zeichen einer Metrostation; was ich fand, war eine Telefonzelle. Ich rief ihn an.
    »Dhatt.«
    »Borlú.«
    »Wo zum Henker stecken Sie? Wo sind Sie gewesen?« Er war wütend, aber auf eine verschwörerische Art. Seine Stimme wurde leiser statt lauter, und ich sah vor mir, wie er sich von den Menschen in seiner Umgebung abwandte, um in sein Handy zu sprechen. Ein gutes Zeichen. »Ich versuche seit Stunden, Sie zu erreichen. Ist alles ... Geht es Ihnen gut? Was ist los, zum Teufel?«
    »Mit mir

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