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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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zerwühlten Ausgrabungsgeländes, aber es gab Buschwerk und ein paar Bäume und Fußwege. Kein lückenloses Ul Qoma, sondern durchschnitten von einem Ausläufer Besźels.
    Wir waren nicht allein: Besź saßen auf den Steinen oder an dem deckungsgleichen Teich. Der Park lag nur zu kleinen Teilen in Besźel, ein paar Meter am Rand der Vegetation, ein Rinnsal zwischen Pfad und Gestrüpp und der schmale Streifen, der die beiden qomanischen Sektionen voneinander trennte. Karten informierten Wanderer, wie sie gehen mussten. Hier in der Deckungsgleichen pflegten die Studenten sich hinzustellen, Gesetz und Anstand dreist missachtend, auf Tuchfühlung mit einer fremden Macht, lustvoll-schuldbewusste Unterwanderung der Separation.
    »Ahndung beobachtet Randzonen wie diese«, sagte Ashil zu mir. »Auch mit Kameras. Wir würden jeden sehen, der in Besźel aus dem Park herauskommt, ohne in Besźel hineingegangen zu sein.«
    Buidze wahrte Abstand zu uns und bemühte sich, nicht den Eindruck zu erwecken, er würde uns belauschen. Ashil sprach ohnehin so leise, dass er nichts verstehen konnte. Ich ging auf und ab.
    »Orciny ...«, sinnierte ich laut. In Ul Qoma führte kein Weg in diesen Teil des Parks hinein oder heraus, außer durch das Grabungsgelände. »Dissensi? Blödsinn. Das war nicht ihre Methode. Sie hat das anders gemacht, und zwar so. Kennen Sie den Film Gesprengte Ketten?« Ich ging zum Rand der deckungsgleichen Zone, wo Ul Qoma für einige Meter zu Ende war. Natürlich war ich im Grenzbruch und konnte nach Besźel gehen, wenn ich wollte, aber ich blieb stehen, als wäre ich nur in Ul Qoma. Ich vergewisserte mich, dass Ashil zuschaute. Ich tat so, als würde ich das Holzstück einstecken, doch in Wirklichkeit schob ich es unter meinem Gürtel hindurch in die Hose. »Loch in der Tasche.«
    Ich schlenderte ein paar Schritte in die Deckungsgleiche hinein, ließ das glücklicherweise nicht gesplitterte Holz in meinem Hosenbein hinunterrutschen, blieb stehen, wo es auf den Boden fiel. Vorgeblich in den Anblick der Skyline versunken, scharrte ich unauffällig mit den Füßen eine flache Vertiefung, schob das Holz hinein, deckte Pflanzenreste und Erde darüber. Als ich, ohne mich umzuschauen, wegging, war das Stück Holz ein nichtssagender Umriss, unsichtbar, wenn man nichts davon wusste.
    »Wenn sie gegangen ist, kommt jemand in Besźel zu dieser Stelle - oder jemand, der den Anschein erweckt, er wäre in Besźel, weshalb es für euch keinen Anlass gibt, einzugreifen«, fuhr ich fort. »Bleibt stehen und betrachtet sich den Himmel. Bohrt selbstvergessen die Schuhspitze in die Erde, legt etwas frei. Setzt sich für einen Moment auf einen Stein, legt die Hand auf den Boden, steckt etwas in die Tasche.
    Mahalia nahm nicht die frisch ausgegrabenen Stücke, das wäre aufgefallen. Doch während sie abschließt, was nur ein paar Sekunden dauert, öffnet sie die unteren Schubladen, die alten Schubladen.«
    »Was sucht sie aus?«
    »Vielleicht greift sie auf gut Glück zu. Oder sie liefert auf Bestellung. Bol Ye'an durchsucht die Leute jeden Abend, wenn sie das Gelände verlassen, wie sollte man auf die Idee kommen, dass jemand klaut? Mahalia hatte nie etwas bei sich. Die Sachen blieben hier, in der Deckungsgleiche.«
    »Bis jemand kam, um sie aufzuheben. In Besźel.«
    Ich drehte mich langsam um und ließ den Blick im Kreis wandern.
    »Fühlen Sie sich beobachtet?«, fragte Ashil.
    »Und Sie?«
    Ein sehr langes Schweigen. »Ich weiß nicht.«
    »Orciny.« Ich drehte mich wieder um. »Hängt mir allmählich zum Hals heraus.« Ich stand auf. »Wirklich.« Ich wandte mich in Richtung der Pforte. »Die ganze Angelegenheit ist ermüdend.«
    »Was denken Sie?«, wollte Ashil wissen.
    Das Geräusch eines Hundes im Wald ließ uns aufschauen. Der Hund war in Besźel. Unwillkürlich wollte ich ihn nicht hören, obwohl ich nicht mehr dazu verpflichtet war.
    Es war ein Labrador, ein freundliches schwarzes Tier. Die Nase auf dem Boden kam es aus dem Unterholz und steuerte auf uns zu. Ashil streckte ihm die Hand hin. Der Hundebesitzer erschien, lächelte, stutzte, schaute verwirrt zur Seite und rief den Hund bei Fuß. Er folgte, schaute sich nach uns um. Herrchen bemühte sich, zu nichtsehen, doch sein Blick irrte noch einige Male zu uns hin. Wahrscheinlich wunderte er sich, dass wir es riskierten, an einem instabilen Ort wie diesem mit einem Hund zu spielen. Als Ashil seinen Blick erwiderte, schlug der Mann die Augen nieder. Er hatte begriffen,

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