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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Sear-and-Core-Gebäude.«
    »Das ist, wo ...«
    »Das ist, wo die Musik spielt. Alles andere ...« Ich zeigte auf das Fenster. Man hörte Glas splittern, Geschrei, Reifenquietschen, Handgemenge. »... ist ein Ablenkungsmanöver.«

27. Kapitel
 
    Draußen erlebten wir den Todeskampf, die letzten Zuckungen eines Revolutiönchens, schon vor Beginn zum Scheitern verurteilt. Das verzweifelte Umsichschlagen war durchaus noch gefährlich und wir darauf gefasst, angegriffen zu werden. Keine Ausgangssperre konnte diese Hysterie eindämmen.
    Menschen rannten vor uns auf der Straße, in beiden Städten, während die öffentlichen Lautsprecher unermüdlich und zweisprachig dazu aufforderten, den Anweisungen Ahndungs Folge zu leisten und die Ausgangssperre zu beachten. Fenster gingen zu Bruch. Einige Gestalten, die ich laufen sah, vermittelten eher den Eindruck von Übermut als von Angst. Keine Unifs, zu schmächtig und ohne Mission: Steine werfende Teenager bei der tollkühnsten Gesetzesübertretung ihres jungen Lebens, kleine geworfene Grenzbrüche zerschmetterten Glas in der Stadt, in der sie nicht lebten oder sich befanden. Ein qomanisches Feuerwehrauto raste unter Sirenengeheul die Straße hinunter, dorthin, wo der Himmel von Feuerschein gerötet war. Die Feuerwehr aus Besźel folgte dichtauf. Man bemühte sich trotzig, die Unterschiede zu wahren: Ein Trupp bekämpfte das Feuer an einer Seite der zweigeteilten Fassade, der andere an der anderen.
    Die halbstarken Lümmel hätten gut daran getan, in Deckung zu gehen, denn Ahndung war allgegenwärtig, wenn auch ihrer verdeckten Methoden wegen ungesehen von den meisten derer, die in dieser Nacht noch unterwegs waren. Im Laufen sah ich Ahnder, die sich genauso verhielten wie alle anderen auf der Straße, erschrocken, kopflos, wütend, doch ihre Körpersprache war eine andere, bestimmter, raubtierhafter. Auch Ashil und ich bewegten uns so. Ich konnte sie identifizieren, auf Grund der nicht ganz freiwilligen Anschauung in den letzten Tagen, wie sie mich.
    Wir sahen einen Trupp Unifs. Ich empfand es als Schock, selbst nach meiner Zeit im Grenzbruch, sie zusammen agieren zu sehen, Mitglieder beider Logen, an ihrer Kleidung trotz der transnationalen Punkrockerjacken und Aufnäher und auch, wenn sie es anders erträumten, für jeden mit Blick für urbane Semiotik als entweder Besź oder Qomani kenntlich. Konzertiert handelnd, zogen sie einen Basis-Grenzbruch hinter sich her, indem sie hüben wie drüben ihre Slogans an die Mauern sprayten. In einer zugegeben kunstvollen Verquickung der Schrift beider Städte, wenn auch romantisiert und mit Serifen versehen, verkündeten sie: GEMEINSAM! EINHEIT! in Besź wie Illit.
    Ashil steckte die Hand ins Jackett. Er trug eine Waffe, die er vor unserem Aufbruch einsatzbereit gemacht hatte. Mir war noch kein genauer Blick darauf gelungen.
    »Wir haben keine Zeit ...«, fing ich an, doch rings um den Aufruhr lösten sich Gestalten aus der Dunkelheit oder besser gesagt, sie manifestierten sich. Ahndung. »Wie macht ihr das, so aus dem Nichts zu erscheinen?«, fragte ich. Obwohl in der Minderzahl, gingen die Avatare furchtlos gegen die Gruppe vor und setzten schnell und unspektakulär, aber mit kompromisslos brutalen Griffen und Würfen drei der Unifs außer Gefecht. Die anderen machten Miene anzugreifen, und Ahndung hob die Waffen. Ich hörte nichts, aber zwei Unifs fielen zu Boden.
    »Heiland«, stieß ich hervor, aber wir eilten schon weiter.
    Mit einem Schlüssel und einer schnellen, geübten Drehung knackte Ashil eins von mehreren geparkten Autos. Weshalb gerade dieses, blieb sein Geheimnis. »Einsteigen.« Er warf einen Blick über die Schulter. »Das finale Konfliktmanagement geschieht am besten unter Ausschluss der Öffentlichkeit, man wird sie wegbringen. Dies ist Ausnahmezustand. In beiden Städten ist heute Nacht Ahndung die einzige Ordnungsmacht.«
    »Heiland ...«
    »Nur in Fällen, wo es sich nicht vermeiden lässt. Nur, um die Sicherheit der Städte und von Grenzbruch zu gewährleisten.«
    »Was geschieht mit den Flüchtlingen?«
    »Es gibt andere Möglichkeiten.« Er ließ den Motor an.
    Wir hatten die Straße fast für uns allein. Das Kampfgeschehen schien sich immer einige Ecken entfernt von uns abzuspielen. Ahndung durchkämmte in kleinen Abteilungen die Stadt. Mehrmals trat uns jemand, Ahndung, in den Weg und machte Miene, uns zu kontrollieren, doch Ashil fixierte den oder die Betreffenden mit einem durchbohrenden Blick oder ließ

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