Die Stadt und die Stadt
Nebenan Ausland ist, ohne sich des Grenzbruchs schuldig zu machen.
Doch auf dem Umweg durch die Kopula konnte der Bürger Besźel verlassen. Kehrte er nach der Durchfahrt durch die Unterführung (physisch) dorthin zurück, von wo er aufgebrochen war, tat er es in einem anderen Land. Als Tourist, ein staunender Besucher, kam er in (s)eine Straße, die ihm fremd war, deren Bebauung er stets nicht gesehen hatte, zu einem Haus in Ul Qoma, das dem seinen reinräumlich benachbart war und welches er nun, nachdem er durch die Kopula in die andere Stadt gereist war, sehen und betreten konnte, während das eigene in Besźel aus demselben Grund für ihn nichtsehbar und nicht erreichbar war.
Die Kopula - der Engpass einer Sanduhr, Ein- wie Ausgangspunkt, der Nabel beider Städte.
Als Kinder spielten wir gern an Stellen, die nicht deckungsgleich waren, wo aber ein schmaler Ausläufer Ul Qomas nach Besźel hineinragte. Natürlich waren wir immer auf der Hut und darauf bedacht, Ul Qoma zu nichtsehen, wie es uns von Eltern und Lehrern mit der nötigen Strenge beigebracht worden war (die Augenfälligkeit, mit der wir unsere gleichaltrigen Gegenstücke in Ul Qoma ignorierten, wenn wir uns reinräumlich begegneten, war filmreif). Wie auch immer, bei unseren Spielen belustigten wir uns manchmal damit, Steine über die Enklave zu werfen, dann brav auf dem langen Weg auf die andere Seite zu laufen, sie aufzuheben und darüber zu diskutieren, ob wir etwas Schlimmes gemacht hatten. Natürlich ließ Ahndung uns unbehelligt. Das gleiche Spiel spielten wir mit den bei uns heimischen Eidechsen. Sie waren immer tot, wenn wir sie aufklaubten, und wir schrieben es dem kurzen Flug durch Ul Qoma zu, obwohl, um der Wahrheit die Ehre zu geben, die unsanfte Landung als Todesursache nicht ausgeschlossen werden konnte.
»Wird nicht mehr lange unser Problem sein«, sagte ich und beobachtete ein paar Touristen aus Ul Qoma, die nach Besźel hineinstolperten. »Mahalia, meine ich. Byela. Fulana Ix.«
7. Kapitel
Wer von der Ostküste der USA nach Besźel fliegen will, muss mindestens einmal umsteigen. Die Reise erfordert Zeit, Geduld und gute Nerven. Von Budapest und Skopje fliegt man direkt nach Besźel, wie auch, für Amerikaner wahrscheinlich die beste Wahl, von Athen. Theoretisch wäre für sie Ul Qoma noch schlechter zu erreichen, wegen des Embargos, aber sie brauchen nur eben über die Grenze nach Kanada zu fahren und können einen Direktflug buchen. New Wolf wird von erheblich mehr internationalen Gesellschaften frequentiert als unser Flughafen.
Die Gearys sollten um zehn Uhr vormittags in Besźel-Halvic landen. Auf meine Veranlassung hin hatte Corwi sie angerufen und über den Tod ihrer Tochter informiert. Ich hatte Corwi gesagt, dass ich persönlich die Eltern zur Identifizierung der Leiche begleiten wollte, aber nichts dagegen hätte, wenn sie mitkäme. Sie kam mit.
Wir warteten in der Ankunftshalle, für den Fall, dass die Maschine früher landete, und vertrieben uns die Zeit mit dem schlechten Kaffee des Ladens, der im Ausland Starbuck's gewesen wäre. Wieder erkundigte Corwi sich nach der Arbeitsweise des Kontrollausschusses. Ich fragte sie, ob sie je aus Besźel herausgekommen wäre.
»Klar«, antwortete sie. »Ich bin in Rumänien gewesen. Ich war in Bulgarien.«
»Türkei?«
»Nein. Sie?«
»Ja. Und in London. Moskau. Paris, einmal, lange her, und Berlin. Westberlin, damals noch. Vor dem Mauerfall.«
»Berlin?« Der Betrieb in der Halle war überschaubar, in der Hauptsache heimkehrende Besź, wie es aussah, plus ein paar Touristen und Geschäftsreisende aus Osteuropa. In Besźel, für Ul Qoma gilt dasselbe, hat man es als Tourist nicht leicht - wie viele Urlaubsziele setzen vor die Einreise ein Examen? Aber der neue Flughafen Ul Qomas, sechzehn oder siebzehn Meilen südöstlich von Lestov auf der anderen Seite des Bulkya-Sunds, hat ein erheblich größeres Passagieraufkommen, obwohl die Einreisebedingungen drüben nicht weniger streng sind als bei uns. Als er vor ein paar Jahren renoviert und ausgebaut wurde, hat er sich innerhalb weniger Monate von einem besseren Provinzflugfeld zu einem großen internationalen Airport gemausert, größer als Halvic. Aus der Luft gesehen - ich war persönlich nie dort gewesen, aber es gab einen Film - sahen die Terminals aus wie miteinander verknüpfte Halbmonde aus verspiegeltem Glas. Design von Foster oder einem anderen seiner Klasse.
Eine Reisegruppe orthodoxer Juden wurde von ihren, nach
Weitere Kostenlose Bücher