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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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der Kleidung zu urteilen, weniger konservativen Glaubensbrüdern empfangen. Ein fetter Sicherheitsbeamter löste die Hand vom Pistolenkolben, um sich am Kinn zu kratzen. Wir sahen ein oder zwei Reisende in stattlichen Anzügen, Herren aus der Führungsetage unserer mit Goldstaub gepuderten neuen ausländischen Investoren, unserer High-Tech-Freunde, Amerikaner sogar. Sie strebten zu den Chauffeuren, die mit Schildern von Sear and Core, Shadner, VerTech angetreten waren, um die Herrschaften abzuholen, Vorstandsmitglieder, aber vielleicht doch nicht wichtig genug, um mit dem eigenen Flieger einzuschweben oder sich vom Helikopter auf dem privaten Hubschrauberlandeplatz absetzen zu lassen. Corwi sah, wie ich die Firmennamen auf den Schildern las.
    »Weshalb zum Teufel sollte jemand hier investieren wollen?«, fragte sie. »Glauben Sie, dass die sich überhaupt erinnern, dass sie Ja gesagt haben? Die Regierung mogelt denen bei ihren feinen Ringelpiezen doch garantiert Rohhypnol in die Caipirinha.«
    »Typisches Gerede unserer hiesigen Defätisten, Constable. Bei dieser Einstellung ist es kein Wunder, wenn unser Land nicht auf die Beine kommt. Die Abgeordneten Buric und Nyisemu und Syedr tun genau das, wozu wir sie durch unsere Wahl beauftragt haben.« Buric und Nyisemu waren erwartungsgemäße Kandidaten für diese Rolle. Doch warum man Syedr die großen Handelsmessen mitorganisieren ließ, gab Anlass zum Nachdenken. Eine Hand wäscht die andere, vermutlich, oder eine eingeforderte Gefälligkeit. An diesen ausländischen Besuchern sah man, dass das ungleiche Trio sogar erste Erfolge zu verzeichnen hatte, und das war ein kleines Wunder.
    »Richtig«, nickte sie. »Im Ernst, sehen Sie sich die Typen an, wenn sie aus den Besprechungen herauskommen. Ich schwöre, die haben Panik im Blick. Haben sie die Autos gesehen, in denen sie durch die Stadt kutschiert werden, zu Sehenswürdigkeiten und Deckungsgleichen und was weiß ich? Die touristische Ochsentour, von wegen! Die armen Tröpfe versuchen, einen Fluchtweg zu finden.« Ich deutete auf die Anzeigetafel. Das Flugzeug war gelandet.
    »Also haben Sie mit Mahalias Doktormutter gesprochen?«, fragte ich. »Ich habe ein paarmal versucht, sie zu erreichen, kam aber nicht durch, und ihre Handynummer wollte man mir nicht geben.«
    »Nur kurz. Ich habe sie in der Zentrale erwischt - so eine Art Forschungszentrum, das der Ausgrabungsstätte in Ul Qoma angeschlossen ist. Professor Nancy, sie ist eine von den Großkopfeten, sie betreut eine ganze Horde von Studenten. Jedenfalls, ich habe sie angerufen und mir bestätigen lassen, dass Mahalia eins von ihren Schäfchen war, dass man sie seit längerer Zeit nicht gesehen hatte und so weiter und so fort. Ich sagte ihr, wir hätten Grund zu der Annahme blablabla. Habe ein Foto hingefaxt. Sie war entsetzt.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich. Sie war ... sie konnte gar nicht aufhören zu erzählen, was für eine großartige Studentin Mahalia war, und sie könne es nicht glauben, was ist denn passiert etc. Sie waren tatsächlich in Berlin? Sprechen Sie auch Deutsch?«
    »Früher«, antwortete ich. »Ein bisschen.«
    »Weshalb sind Sie da gewesen?«
    »Ich war jung. Es war eine Konferenz. ›Polizeiarbeit in Geteilten Städten.‹ Seminare über Budapest und Jerusalem und Berlin. Und Besźel und Ul Qoma.«
    »Unerhört!«
    »Ich weiß, ich weiß. Das haben wir auch gesagt. Absolut daneben.«
    »Geteilte Städte? Mich wundert, dass die Akademie Ihnen erlaubt hat hinzufahren.«
    »Mich auch. Ich sah meine Freikarte in einem Sturm patriotischer Entrüstung davonfliegen. Mein Vorgesetzter tönte, es wäre nicht nur ein falsches Verständnis unserer einzigartigen Situation, sondern eine regelrechte Beleidigung Besźels. Er hatte nicht ganz Unrecht, nehme ich an. Doch es war eine subventionierte Auslandsreise, sollte ich Nein sagen? Ich habe ihn überredet. Zumindest war es eine Gelegenheit, endlich meine ersten Qomani kennenzulernen, die es offenbar ebenfalls geschafft hatten, ihre Empörung zu überwinden. Eine Bekanntschaft durfte ich vertiefen, in der Disco des Konferenzhotels. Wir taten das unsere, um bei 99 Luftballons internationale Spannungen abzubauen.«
    Corwi schnaubte, aber die Passagiere der gelandeten Maschine tröpfelten jetzt durch die Sperre, und wir setzten eine ernste Miene auf, um die Gearys angemessen begrüßen zu können.
    Der Beamte von der Einwanderungsbehörde, der sie begleitete, entdeckte uns und schickte sie mit einem

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