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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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einen imaginären Punkt an der gegenüberliegenden Wand. Ahndung muss sich für seine Aktionen vor den Spezialisten verantworten, welche sein Eingreifen veranlassen, aber einem Großteil der Bevölkerung will das nicht als wirksame Restriktion erscheinen.
    »Haben Sie mit ihren Kollegen gesprochen?«, fragte Syedr.
    »Nein, ich nicht, aber mein Constable selbstverständlich, um unsere Informationen zu verifizieren.«
    »Und ihre Eltern? Haben Sie sich mit ihren Eltern in Verbindung gesetzt? Sie scheinen mir überaus erpicht darauf, diesen Fall abzuschieben.«
    Ich wartete ein paar Sekunden, bevor ich antwortete, mit erhobener Stimme, um das Gemurmel auf beiden Seiten des Tisches zu übertönen.
    »Constable Corwi hat die Eltern benachrichtigt. Sie sind auf dem Weg hierher. Major, ich weiß nicht, ob Sie begreifen, in welcher Situation wir uns befinden. Ja, ich bin erpicht. Erpicht darauf, dass der Mörder von Mahalia Geary gefasst wird. Sie etwa nicht?«
    »Schon gut. Das reicht.« Yavid Nyisemu. Er trommelte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte.
    »Inspektor, vielleicht mäßigen Sie Ihren Ton. In den Reihen der Abgeordneten setzt sich die Auffassung durch, dass wir allzu schnell bereit sind, Verantwortung an Ahndung zu delegieren, auch in Situationen, in denen es nicht zwingend notwendig wäre, die wir aus eigener Kraft meistern könnten. Und dass diese Handlungsweise gefährlich ist und potenziell sogar eine Untergrabung unserer Souveränität.« Er ließ eine Kunstpause eintreten, bis mir klar wurde, was er erwartete, und ich etwas brummte, was sich wie eine Entschuldigung anhörte. »Wie dem auch sei«, fuhr er fort. »Major, Ihnen muss ich sagen, dass mir Ihre Einwände kleinkariert und lächerlich erscheinen. Um Himmels willen, die junge Frau ist in Ul Qoma, verschwindet, wird in Besźel tot aufgefunden. Ich kann mir nur schwer einen eindeutigeren Fall vorstellen. Natürlich werden wir die Verweisung an Ahndung befürworten.« Er fuhr gebieterisch mit der Hand durch die Luft, als Syedr zu protestieren begann.
    Katrinya nickte. »Die Stimme der Vernunft«, äußerte Buric. Die Qomani waren offenbar schon häufiger Zeuge eines derartigen internen Kompetenzgerangels gewesen. Die Herrlichkeiten unserer Demokratie. Fraglos hatten sie ihre eigenen Auseinandersetzungen.
    »Ich denke, das wäre alles«, sagte Nyisemu über die Proteste des Majors hinweg. »Wir haben Ihren Antrag entgegengenommen. Vielen Dank. Der Amtsdiener wird Sie hinausführen. Sie hören demnächst von uns.«
 
    Die Flure in der Kopula haben einen eigenen Stil, der sich im Lauf der vielen Jahrhunderte, die das Gebäude steht, entwickelt haben muss, beeinflusst durch seine zentrale Bedeutung für Leben und Politik in Besźel wie Ul Qoma: Sie atmen Altehrwürdigkeit und Strenge, trotzdem wirken sie unbestimmt, vage. Die Ölgemälde sind kunstvoll, aber nicht künstlerisch, ohne Tradition, blutleer und beliebig. Die Angestellten, Besź wie Qomani, kommen und gehen in diesen Nirgendwo-Korridoren. Der Bau vermittelt nicht den Eindruck von Gemeinschaftlichkeit, sondern von Leere.
    Die wenigen prähistorischen Artefakte unter Glasstürzen - mit Alarmsystemen ausgestattet und bewacht -, die in Abständen in den Fluren stehen, sind anders. Sie sind konkret, doch rätselhaft. Auf dem Weg zum Ausgang fiel mir das ein oder andere ins Auge: eine Venus mit Hängebrüsten und einem Wulst, wo vielleicht Zahnräder oder Hebel gesessen hatten, eine primitive Wespe aus Metall, der nur Reste ihrer bedrohlichen Farben geblieben waren, ein Spielwürfel aus Basalt. Ein unter jedem Objekt angebrachtes Schild bot Deutungsvorschläge.
    Syedrs Einwände wirkten nicht überzeugend. Mir kam es vor, als hätte er sich vorgenommen, den nächsten Antrag zu boykottieren, der ihm auf den Schreibtisch flatterte, und zu seinem Pech war es ausgerechnet mein Fall, an dem es kaum etwas zu deuteln gab. Auch seine Motivation erschien mit fragwürdig. Als politisch interessierter Mensch hätte ich mich ihm nicht angeschlossen. Seine Warnung jedoch entbehrte nicht der Grundlage.
    Die Macht von Ahndung ist nahezu grenzenlos. Erschreckend. Das Einzige, was mögliche Willkür unterbindet, ist die Tatsache, dass die Ausübung dieser Macht an ganz bestimmte Umstände gekoppelt ist. Dass die strikte Beachtung dieser Umstände so streng überwacht wird, ist eine unabdingbare Schutzmaßnahme für die Städte.
    Deshalb diese arkanen Rituale und die genaue Wahrung des Stimmengleichgewichts von

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