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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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soll. Sie haben nicht
zufällig etwas ... sagen wir: Ungewöhnliches gesehen?«
»Was verstehen Sie unter ungewöhnlich?«, wollte Trautman
wissen.
»Hätten Sie dieses Schiff gesehen, wüssten Sie, was wir
meinen«, sagte Berghoff. »Da Sie es nicht wissen, haben Sie es
offensichtlich auch nicht gesehen.«
Jetzt hatte Mike Mühe, sich seine wahren Gefühle nicht
anmerken zu lassen. Es hatte eine Weile gedauert, aber dann
wurde ihm schlagartig klar, dass die beiden Marineoffiziere von
nichts anderem als der NAUTILUS sprachen. Die PRINZ
FERDINAND war genau das Schiff, auf das sie schon vor zwei
Tagen getroffen waren und das so warnungslos das Feuer auf
sie eröffnet hatte. Und jetzt tauchte der Zerstörer ausgerechnet
hier wieder auf. Das konnte kein Zufall mehr sein.
»Aber wir möchten Sie nicht mit hoher Politik langweilen«,
sagte Vom Dorff. »Greifen Sie doch zu, mein lieber Kapitän.
Während wir essen, kann ich Ihnen vielleicht ein paar
Vorschläge unterbreiten, wie Sie die Wartezeit bis zum
Erscheinen Ihres Geschäftspartners interessant gestalten
können.«
Sie griffen zu, und obwohl sich Mike in der Gesellschaft der
beiden Offiziere alles andere als wohl fühlte, frühstückte er
doch mit großem Genuss. Vom Dorff verstand zu leben, das
musste man ihm lassen. Mike hatte seit Monaten nicht mehr so
gut gegessen. »Ich habe mir übrigens die Freiheit genommen,
bereits ein Schlittengespann für Sie und Ihren jungen Freund zu
organisieren«, sagte Vom Dorff nach einer Weile. »Sie wollen
Mike doch noch immer die Schönheiten der grönländischen
Natur zeigen?«
Trautman nickte schweigend und Mike beugte sich tiefer über
seinen Teller. Vom Dorff fuhr fort: »Es hat wenig Sinn, einfach
aufs Geratewohl loszufahren, wissen Sie? Und es wäre
gefährlich. Wie es der Zufall will, besitze ich eines der besten
Gespanne der Stadt. Ich stelle es Ihnen gerne zur Verfügung –
zusammen mit zuverlässigen Männern, die auf Sie aufpassen.«
»Das ist wirklich nicht nötig«, sagte Trautman, aber Vom
Dorff schüttelte den Kopf.
»Ich fürchte, das ist es doch«, widersprach er. »Ich habe Sie ja
gewarnt, den Eingeborenen nicht zu vertrauen. Es ist leider
bereits in der ganzen Stadt bekannt, dass Sie ein beachtliches
Vermögen mit sich herumtragen. Ich würde ungern die
Nachricht bekommen, dass man Sie und Ihren jungen Freund
mit durchschnittenen Kehlen in einem Hinterhof gefunden hat.«
»Jetzt übertreiben Sie aber!«, protestierte Mike.
Trautman warf ihm einen warnenden Blick zu und auch
Berghoff ließ seine Gabel sinken und sagte dann: »Ich fürchte,
das tut er nicht. Du bist noch sehr jung, Michael. Als ich in
deinem Alter war, hatte ich auch noch Flausen im Kopf. Ich
dachte, dass alle Menschen gleich wären und es keine
minderwertigen oder besseren Völker gäbe. Aber glaube mir, so
ist es nicht.«
Mike starrte den Kapitänleutnant fassungslos an. Einige
Sekunden lang weigerte er sich zu glauben, was er da hörte.
Berghoff schien seinen Blick jedoch mit Interesse zu
verwechseln, denn er fuhr fort: »Diese Menschen hier sind
anders als wir. Sie sind primitive Wilde, denen ein
Menschenleben nichts gilt. Du darfst ihnen niemals vertrauen.
Sie lächeln uns an, aber hinter diesem Lächeln hassen sie uns.«
Mike wusste genau, dass seine folgenden Worte ein Fehler
waren. Aber er konnte sich einfach nicht zurückhalten.
»Vielleicht liegt das daran, dass Sie mit einem Kriegsschiff
hergekommen sind«, sagte er. »Ich wäre auch nicht sehr
freundlich, wenn Besucher ihre Kanonen auf mich richten
würden.«
»Mike!«, keuchte Trautman.
Berghoff lächelte jedoch nur und machte eine besänftigende
Geste: »Lassen Sie nur. Wie ich bereits sagte: Er ist noch jung
und hat das Recht, so zu denken. Sorgen Sie nur dafür, dass er
alt genug wird, um seine Meinung zu ändern.«
»Dann müsste ich schon tausend Jahre alt werden!«, sagte
Mike. »Und selbst dann nicht.« Er sprang so heftig auf, dass
sein Stuhl nach hinten flog und beinahe umgefallen wäre.
Wütend riss er seine Jacke von der Lehne, fuhr herum und
rannte aus dem Haus.
Es war hell geworden, während sie frühstückten, aber kein
bisschen wärmer. Ein eisiger Wind fauchte Mike entgegen und
schnitt wie mit Messern in sein ungeschütztes Gesicht, sodass er
hastig den Kopf senkte und den Pelzkragen seiner Jacke
hochschlug. Trotzdem sah er, dass der Platz vor dem Haus nicht
mehr leer war. Neben den beiden Hundeschlitten, von denen
Hansen gesprochen hatte, standen drei

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