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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schwere Kettenfahrzeuge
im Halbkreis, alle drei mit dem weiß umrandeten Kreuz der
deutschen Wehrmacht verziert. Mike entdeckte auf Anhieb
ungefähr ein Dutzend Marinesoldaten in weißen Pelzjacken,
nahm aber an, dass die beiden Kapitäne sehr viel mehr Männer
mitgebracht hatten. Von den Einwohnern Sadsbergens war
niemand zu sehen.
Es verging eine geraume Weile, bis Trautman nachkam.
»Na«, sagte er, »hast du dich wieder beruhigt?« »Es tut mir
Leid«, sagte Mike zerknirscht. »Aber mir sind die Nerven
durchgegangen. Der Kerl ist unmöglich! Das kann er doch nicht
wirklich so meinen!«
»Ich fürchte doch«, antwortete Trautman. »Mach dir keine
Vorwürfe. Wahrscheinlich hätte ich an deiner Stelle auch nicht
anders reagiert.«
»Dann sind Sie mir nicht böse?«, fragte Mike. »Böse? Warum
sollte ich?« Trautman schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Was
du getan hast, war vielleicht sogar ganz gut.«
»Wieso?«, fragte Mike verwirrt.
Trautman knöpfte seine Jacke zu und ging langsam los. Mike
folgte ihm. Sie schwiegen, bis sie an den Wagen und ihrer
Besatzung vorbei waren, dann fuhr Trautman fort: »Ich habe
Vom Dorff und die beiden anderen einigermaßen beruhigt. Sie
denken, du bist jung und ein bisschen naiv. Ich habe gesagt,
dass ich zusammen mit dir einen langen Spaziergang machen
werde, um in Ruhe mit dir zu reden. Vor einer Stunde erwarten
sie uns nicht zurück. Das gibt uns Zeit, noch einmal mit Kanuat
zu reden. Ich möchte lieber in der Lage sein, möglichst schnell
von hier zu verschwinden.«
Mike erging es nicht anders. Trotzdem fragte er: »Warum?«
»Bist du blind?«, fragte Trautman. »Du glaubst doch nicht,
dass die beiden Offiziere nur hergekommen sind, um mit Vom
Dorff zu frühstücken! Sie haben eine halbe Armee
mitgebracht.«
»Unseretwegen?«
»Bestimmt nicht«, sagte Trautman. »Irgendetwas ist hier
faul.« Er drehte im Gehen den Kopf und warf einen Blick zu
Vom Dorffs Haus und den davor abgestellten Kettenfahrzeugen
zurück, dann griff er in die Tasche und zog das Sprechgerät
heraus. Er versuchte mehrmals Kontakt mit der NAUTILUS
aufzunehmen, aber er bekam keine Antwort. Mike war nicht
überrascht, als Trautman wie zufällig seine Schritte in Richtung
Hafen lenkte.
Der zugefrorene Fluss kam ihm jetzt, im hellen Licht der
Morgensonne, sehr viel breiter vor als vergangene Nacht und er
sah auch, dass die Eisdecke längst nicht so massiv und
geschlossen war, wie er geglaubt hatte. Das Eis wies zahlreiche
Risse auf und war hier und da sogar zu Schollen zerbrochen.
Und das war einigermaßen seltsam, fand Mike. Sie hatten diese
Eisdecke vergangene Nacht von unten gesehen und da war
ihnen nicht der winzigste Riss aufgefallen.
Plötzlich blieb Trautman stehen und riss ungläubig die Augen
auf. Mike sah in dieselbe Richtung, aber es dauerte ein paar
Sekunden, bis auch er sah, was Trautman entdeckt hatte – und
sein bodenloses Erschrecken verstand.
Auch vor dem gemauerten Kai war das Eis zu Schollen und
unzähligen Stückchen zerborsten. Zwei der eisverkrusteten
Schiffe lagen ein wenig schräg im Wasser, weil sie von einem
riesigen, eisernen Turm zur Seite gedrückt worden waren. Auf
der Mike und Trautman zugewandten Seite prangten ein weiß
umrandetes Kreuz und die Beschriftung »U32«.
»Das ... das ist ...«, stammelte Mike.
»Ein deutsches Unterseeboot«, sagte Trautman düster. »Jetzt
verstehe ich so manches.«
»So?«, sagte Mike. »Ich nicht.«
»Das muss Berghoffs Schiff sein«, sagte Trautman. »Kein
Wunder, dass die NAUTILUS nicht mehr da ist. Ich hoffe nur,
Singh hat das Schiff noch rechtzeitig weggebracht, ehe sie
entdeckt wurden.«
»Bestimmt«, sagte Mike. »Sonst wäre dieses Boot nicht hier.«
»Und wir wahrscheinlich schon verhaftet oder erschossen«,
fügte Trautman hinzu. »Lass uns verschwinden. Am besten
gleich.«
Mike widersprach nicht. Der Turm des Unterseebootes, der
nur einen Steinwurf von ihnen entfernt aus dem Wasser ragte,
war weitaus kleiner als der der NAUTILUS, von dem
technischen Unterschied ganz zu schweigen. Trotzdem erfüllte
ihn der Anblick mit beinahe panischer Angst. Es war nicht die
wirkliche Gefahr, die dieses Schiff ausstrahlte, auch wenn sie
gewiss nicht zu unterschätzen war. Schlimmer war das, was
dieses Schiff versinnbildlichte.
Den Krieg.
Seit die Irrfahrt der NAUTILUS und ihrer
zusammengewürfelten Besatzung begonnen hatte, befand sich
ein Großteil der Welt in einem blutigen Krieg. Mike wusste
nicht einmal genau, worum es dabei ging, denn

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