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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Gegenwart der Soldaten, deren
Gewehre auf ihn und seine Hunde gerichtet waren, hielt ihn
davon ab, etwas Unüberlegtes zu tun.
»Also gut«, grollte Trautman. »Aber Sie sind mir eine
Erklärung schuldig.«
»Seltsam«, lächelte Vom Dorff, »aber genau dasselbe wollte
ich gerade zu Ihnen sagen.« Er machte eine befehlende Geste
zur Tür. Sein Lächeln erlosch wie abgeschaltet. »Kommen Sie!«
Begleitet von seinen Soldaten verließen sie das Haus. Draußen
warteten drei weitere Männer auf sie und auf der anderen
Straßenseite war eine ganze Gruppe Inuit zusammengelaufen,
die aufmerksam zu ihnen herüberblickten und tuschelten. Mike
verstand mit jeder Sekunde weniger, was hier vorging. Sie
waren Vom Dorffs Gefangene, das war klar, aber er konnte sich
nicht erklären, woher dieser plötzliche Sinneswandel kam.
Und es schien ein ziemlich drastischer Sinneswandel zu sein,
denn als Mike auch nur ein kleines bisschen langsamer ging, als
es seinem Bewacher recht war, stieß ihm dieser so derb den
Gewehrlauf in den Rücken, dass er vor Schmerz die Zähne
zusammenbiss.
»Lassen Sie das«, sagte Trautman. »Es gibt keinen Grund,
grob zu werden.«
»Da haben Sie Recht.« Vom Dorff warf dem Soldaten einen
mahnenden Blick zu, fuhr aber nach einer Sekunde und an
Trautman gewandt fort: »Vorausgesetzt natürlich, dass Sie
vernünftig bleiben.«
Trautman presste zornig die Lippen aufeinander, ersparte sich
aber jede Antwort und Mike seinerseits zog es vor, seine
Schritte ein wenig zu beschleunigen. Sie gingen weiter am
Hafen entlang, die Strecke zurück, die sie gekommen waren.
Die Straße war jetzt von sehr viel weniger Inuit gesäumt als
vorhin; trotzdem glaubte Mike die angstvollen Blicke regelrecht
zu fühlen, die ihnen folgten. Der Anblick des Unterseebootes
hatte ihn mit Unbehagen erfüllt, aber das lag wohl größtenteils
an ihm selbst. Die deutschen Soldaten jedoch verbreiteten
eindeutig Furcht.
Sie hatten ungefähr den halben Weg zu Vom Dorffs Haus
zurückgelegt, als Trautman für einen Moment im Schritt
stockte; wahrscheinlich nicht einmal lange genug, damit es
Vom Dorff und seinen Männern auffiel. Mike jedoch bemerkte
es sehr wohl und im gleichen Moment fiel ihm auch der Grund
dafür auf: Nur ein kleines Stück vor ihnen befand sich eine
zweite Gruppe deutscher Soldaten. Sie bewegten sich langsamer
als sie, denn sie zogen zwei hoch beladene Schlitten hinter sich
her und Mikes Herz machte einen entsetzten Sprung in seiner
Brust, als er sah, was darauf lag.
Trautman fiel unauffällig ein wenig zurück, bis sie
nebeneinander hergingen. »Verdammt!«, flüsterte er. »Sie
haben die Taucheranzüge gefunden! Das hätte nicht passieren
dürfen!«
»Und was tun wir jetzt?«, fragte Mike ebenso leise.
Trautman deutete ein Achselzucken an, ging wieder ein wenig
schneller – und trat dem Mann vor sich ohne Vorwarnung in die
Kniekehle.
Der Soldat stieß einen überraschten Laut aus und fiel nach
vorne. Trautman wirbelte mit einer Bewegung herum, die man
einem Mann seines Alters niemals zugetraut hätte, packte den
zweiten Soldaten an der Schulter und riss ihn herum. Noch
bevor der Mann richtig begriff, wie ihm geschah, schmetterte
ihm Trautman die linke Faust ins Gesicht und riss ihm mit der
anderen Hand das Gewehr von der Schulter.
Mike registrierte eine Bewegung aus den Augenwinkeln und
reagierte ganz instinktiv. Als der dritte Soldat heranstürmte, trat
er einen halben Schritt zur Seite, verlagerte sein Körpergewicht
auf das linke Bein und knickte leicht in der Hüfte ein; ein Trick,
den ihm Singh gezeigt hatte. Der Soldat prallte im vollen Lauf
gegen ihn und Mike versuchte nicht, den Aufprall abzufangen,
sondern ließ sich im Gegenteil noch weiter zur Seite kippen,
krallte beide Hände in die Jacke des Mannes und führte seine
begonnene Drehung noch schneller weiter. Der Soldat verlor
plötzlich den Boden unter den Füßen, segelte in hohem Bogen
über Mikes Schultern und erreichte unsanft den Boden.
Als Mike wieder zu Trautman sah, hatte dieser Vom Dorff
von hinten gepackt und den linken Arm um seinen Hals
geschlungen. In der anderen Hand hielt er das erbeutete
Gewehr, dessen Mündung er so fest unter Vom Dorffs Kinn
drückte, dass der Deutsche Mühe hatte, Luft zu holen.
»Wie gesagt, Herr Vom Dorff«, sagte Trautman, »es gibt
keinen Grund, grob zu werden. Vorausgesetzt, dass Sie
vernünftig bleiben.«
»Sie ... sind ja verrückt!«, keuchte Vom Dorff. »Damit
erreichen Sie gar nichts! Geben Sie auf und ich

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