Die Stahlkönige
berittener Aufseher schufteten. Wo der Boden es gestattete, waren die Felder in perfekten Rechtecken angelegt. Der Anblick störte Hael. Er war an die unregelmäßigen Formen der Natur gewöhnt. Menschen, die gerade Linien und rechte Winkel liebten, betrachtete er mit Misstrauen. Sie erschienen ihm einfallslos und pedantisch.
Als er nicht mehr weit vom Fuße des Felsens entfernt war, erblickte er ein Dorf, das sich im Schatten der gewaltigen Klippe duckte. Es war der Hafen von Felsenstein, wo Boote und Barken entladen wurden. Dort wollte er rasten und Erkundigungen einziehen, ehe er die Hauptstadt betrat. Er ritt weiter, aber plötzlich fiel sein Blick auf ein nahe gelegenes Feld.
Wieder handelte es sich um ein vollkommenes Rechteck, das von einer niedrigen Steinmauer umgeben war. Trotz des Grasbewuchses war es keine Weide, sondern ein Exerzierplatz. Hael zügelte das Cabo und beobachtete die Übungen, denn das war einer der Gründe für seine Reise.
Die Soldaten, die in schnurgeraden Reihen marschierten, sahen anders aus als alle, die er je gesehen hatte. Keiner von ihnen trug eine Rüstung oder einen Schild. Stattdessen hielt jeder Mann ein Feuerrohr mit hölzernem Schaft über der Schulter. An den Gürteln hingen Patronentaschen, in denen Munition steckte. Dazu besaß jeder Krieger eine Pulverdose. Das harte Porzellan dieser Dosen glänzte weiß im Sonnenlicht. Hael besaß ein paar der Feuerrohre, aber in geringer Anzahl waren sie militärisch nutzlos für ihn. Außerdem war es ihm noch nicht gelungen, das Schießpulver oder die unglaublich harten Porzellandosen herzustellen.
Während er zusah, vollführten die Soldaten ihre Übungen. Sie machten kehrt und vergrößerten oder verkleinerten den Abstand zum Nebenmann mit mechanischer Gleichmäßigkeit. Die Männer trugen rote Tuniken, grüne Hosen und Sandalen. Die Offiziere waren mit bestickten Uniformen und flachen Stiefeln bekleidet. Sie brüllten ihre Befehle und die Soldaten bewegten sich gleichförmig wie ein Uhrwerk.
Hael schätzte disziplinierte Krieger, aber die hier gezeigten Manöver stießen ihn ab. Das Kriegerhand werk wirkte bei diesen Männern, als sei es nur einen Schritt von der Sklaverei entfernt.
Jetzt begannen die Schießübungen. Die Soldaten führten die erforderlichen Handbewegungen – laden, zünden, zielen und feuern – stehend und liegend durch. Kein einziges Körnchen Pulver wurde verbrannt. Das verriet Hael, dass Pulver sogar hier zu kostbar war, um während der Übungen verschwendet zu werden. Er hättte gerne noch länger zugesehen, riss sich aber los und ritt weiter, um nicht in den Verdacht zu geraten, ein Spion zu sein.
Im Gegensatz zu anderen Städten, die er in diesem Land betreten hatte, gab es hier keine Stadtmauer und kein Tor, an dem ein kleinlicher Beamter stand. Hael ging davon aus, dass die Hafenstadt nur ein Anhängsel Felsensteins und der Verteidigung nicht wert war. Alle bedeutenden Persönlichkeiten lebten oberhalb der Rampe auf der Spitze des Berges, der der Stadt den Namen verlieh, und ganz bestimmt war der Weg dorthin bestens bewacht.
Er ritt in den Ort, in dem es nur wenige aus Stein gebaute Häuser gab, dafür aber umso mehr armselige Hütten. Die Straßen waren nicht gepflastert, vielmehr bestanden sie aus Lehm und Schlamm, in dem sich allerlei Viehzeug suhlte. Winzige fette Toonoos wühlten im Abfall, und ganze Horden Hausechsen liefen umher, die sich von den zahllosen Insektenschwärmen ernährten.
Der Ort wurde auf der einen Seite vom Fluss und auf der anderen von den Klippen begrenzt. Daher war er recht schmal und die meisten Gebäude besaßen mehrere Stockwerke. Auf vielen Balkonen flatterten zum Trocknen aufgehängte Wäschestücke. Hier und dort sah er kleine Schreine, in denen Räucherpfannen vor den Bildern einheimischer Götter brannten. Große Tempel waren nicht zu entdecken.
Das war ihm überall im Südosten aufgefallen: Es gab keine Tempel und man sah keine Priester. Barbarische Völker anderer Länder hatten ebenfalls keine Tempel, aber eine reichhaltige Geisterwelt und Geistersprecher, die eine Verbindung zwischen beiden Welten herstellten. In der zivilisierten Welt betete man zu Göttern, deren Priester als Vermittler dienten, die einfache Leute von geistlichen Pflichten befreiten und ihre Rituale in Tempeln abhielten.
Hier gab es weder das eine noch das andere. Im ganzen Land herrschte in dieser Hinsicht offensichtlich großer Mangel. Das störte Hael mehr als alles andere, was ihm
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