Die Stahlkönige
Schlaf.
Kairn hielt die erste Wache. Er ging an Bord und striegelte sein Cabo. Mit leiser Stimme sprach er auf das Tier ein. Es schnaubte und grunzte und warf unruhig den Kopf hin und her. Kairn schrieb die ungewöhnliche Aufregung der Enttäuschung zu, den Pferch nicht verlassen zu dürfen. Einer plötzlichen Eingebung nachgebend, verstaute er den Sattel, seine Taschen und den Bogen im Pferch. In der Dunkelheit waren sie nutzlos, und auch die Lanze würde ihm nicht helfen.
Als ihm die Sterne verrieten, dass seine Wache um war, weckte er die Ablösung und wartete, bis der Mann völlig wach war, ehe er sich hinlegte. Am liebsten hätte er auf dem Floß geschlafen, wollte aber vor seinen Gefährten nicht feige erscheinen und suchte sich einen Platz nahe dem Feuer. Mit der Hand auf dem Schwertgriff schlief er ein.
Kairn wusste nicht, was ihn weckte, aber er spürte instinktiv, dass etwa zwei Stunden vergangen waren. Es lag etwas in der Luft. Vielleicht hatten sich die nächtlichen Geräusche verändert und ihn geweckt. Das Feuer glühte nur noch spärlich. Die meisten seiner Gefährten schnarchten halblaut.
Ohne den Kopf zu bewegen, sah sich Kairn um. Niemand stand aufrecht oder ging umher. Vielleicht war der Wächter in die Büsche gegangen, um sich zu erleichtern, aber kein Laut ließ darauf schließen. Dann hörte er doch etwas: Ein leises Rascheln erklang an verschiedenen Stellen rings um den Lagerplatz. Gleichzeitig witterte er einen vertrauten Geruch: den Geruch frisch vergossenen Blutes. Er sprang auf und riss das Schwert aus der Scheide.
»Aufwachen!«, brüllte er. »Banditen!«
Die Männer fuhren auf, fuchtelten mit den Waffen und sahen sich verwirrt um. »Mit dem Rücken zum Feuer!«, schrie Fleder. »Wo ist die Wache?«
»Tot!«, antwortete Kairn, doch das Wort ging im Gebrüll der Angreifer unter. Es war unmöglich, ihre Zahl zu erraten, denn sie kamen von allen Seiten außer vom Fluss. Ihr Geschrei verstärkte noch das allgemeine Durcheinander. Die ersten Kampfgeräusche erklangen, die ersten Hiebe fanden ihr Ziel.
Ein Schatten stürzte sich auf Kairn; das Feuer spiegelte sich in Augen und Zähnen. Er sah keine Waffe, daher zielte er auf eine Stelle dicht unter dem Kinn. Die Schwertklinge traf auf Knochen und Fleisch. Der Angreifer schrie und fiel zu Boden. Kairn stemmte den Fuß auf den Körper und zog das Schwert heraus. Dann stieß er noch einmal zu, um ganz sicher zu sein, den Feind besiegt zu haben.
Geduckt drehte er sich zur Seite, um die Lage zu überblicken. Irgendwer hatte Holz aufs Feuer geworfen, und das helle Licht enthüllte, dass die Flößer die Unterlegenen waren. Hagere zerlumpte Männer, die Kairn an aasfressende Streiflinge erinnerten, sprangen mit blitzenden Messern zwischen ihren Opfern umher. Einer der Feinde sprang auf Fleders Rücken und hielt ihm die Arme fest, während ein anderer ihm einen kurzen Speer in die Eingeweide stieß.
Dann griffen ihn drei Banditen an, und Kairn blieb keine Zeit mehr für Beobachtungen. Beim Anblick seines Langschwerts zögerten sie, und er nutzte den Vorteil, um einen von ihnen zu töten. Jetzt griffen die beiden anderen an. Er wehrte einen ungeschickten Axthieb ab und spaltete den Schädel des Mannes, als sein Gefährte mit dem Speer zustieß. Mit einem verzweifelten Satz vermied Kairn, die Waffe in den Bauch zu bekommen, aber die Spitze schnitt ihm die Seite auf. Er schlug nach dem Hals des Banditen, und der Kopf flog in hohem Bogen davon. Schnell machte er kehrt und sah, dass er an der einzigen Stelle des Lagers stand, die von den Kampfhandlungen einigermaßen verschont geblieben war. Während des Kampfes hatte er sich vom Feuer entfernt, und im hellen Schein der Flammen bemerkte er, dass die Flößer besiegt waren. Die Angreifer schlugen auf am Boden liegende Körper ein und kreischten wie ein Rudel Dämonen.
Die Hand auf die Wunde gepresst, stolperte Kairn auf das Floß zu. Als er durch das seichte Wasser rannte, erblickten ihn ein paar Feinde und zeigten auf ihn. Sie liefen ihm nach, und er zog sich hastig an Bord, ehe er das Ankertau mit einem Schwerthieb durchtrennte. Ein Wurfspeer bohrte sich dicht vor seinen Füßen in die Baumstämme. Fast hatte er den Pferch erreicht, als ihn ein zweiter Wurfspeer in den rechten Oberschenkel traf.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht schlug er das nächste Tau durch und riss anschließend unter lautem Stöhnen den Speer aus der Wunde. Dann ergriff er eine Stange. Das Schwert baumelte an einer
Weitere Kostenlose Bücher