Die Stahlkönige
Fabriken. Die Städte waren jedoch nicht annähernd so schön wie die Orte Nevas. Der Rauch, der über nevanischen Städten hing, stammte von Herdfeuern und den Räucherfässern der Tempel, aber hier hatte er seinen Ursprung in qualmenden Fabrikschornsteinen.
Seltsamerweise gab es kaum kleinere Bauernhöfe im Land. In anderen Gebieten wurden kleine Gehöfte von freien Bauern oder Leibeigenen bewirtschaftet. Hier hingegen war das Land in riesige Plantagen aufgeteilt, von denen jede sich auf ein bestimmtes Erzeugnis spezialisiert hatte und von Sklaven oder anderen Menschen bewirtschaftet wurde, die sich aus irgendwelchen Gründen dieser Fron unterwerfen mussten. Nicht einmal im tropischen Süden hatte er die Sklaverei in diesem Ausmaß erlebt.
Er beobachtete sie mit Missfallen, aber ohne Entsetzen. Hael stammte von einem kriegerischen Volk ab und fand, dass jeder, der nicht für seine Freiheit kämpfte und die Sklaverei dem Tod vorzog, die Freiheit wahrscheinlich nicht verdiente. Wenn sich diese Leute nicht gegen ihre Herren auflehnten, war es sicherlich besser, sie nützliche Arbeit verrichten zu lassen. Kein Mann seines ursprünglichen Stammes hätte das Sklavenjoch auch nur für kurze Zeit geduldet.
Der Gedanke an seinen ehemaligen Stamm bedrückte ihn. In den vergangenen Jahren hatten sich die Menschen von einem Volk der Krieger in eine Armee verwandelt. Ihre Weigerung, sich versklaven zu lassen, hielt sie nicht davon ab, andere Völker zu unterdrücken. Er schüttelte die Erinnerungen ab. Diese Bedrohung lag in weiter Ferne, weit im Westen. Jetzt musste er sich um andere Dinge kümmern.
Die Stadt Felsenstein machte ihrem Namen alle Ehre. Der Tensa floss in weitem Bogen um eine gewaltige Felswand herum, die fast zweihundert Fuß hoch war. Auf der Spitze erhob sich eine steinerne Festung, deren Zinnen und Türme wie abgebrochene Zähne gen Himmel ragten. Auf der dem Fluss abgewandten Seite neigte sich der Fels in südlicher Richtung. Es sah aus, als führe eine riesige Rampe zum Waldrand hinab.
Der Anblick reichte aus, um die Abenteuerlust eines Mannes zu dämpfen, aber Hael ließ sich nicht abschrecken. Er reiste liebend gerne allein, und dieses Vergnügen bot sich ihm höchst selten. Es war schwierig, ganz allein auszuziehen, wenn man ein König war. Seine Frau sagte oft, er nähme seine Regentschaft nicht ernst genug, und er neigte dazu, ihr Recht zu geben.
Die ersten Jahre als Steppenkönig waren aufregend und anstrengend gewesen, aber jetzt fand er, sein Volk könne sich auch ohne ihn behaupten – meistens jedenfalls. Da keine unmittelbare Kriegsgefahr bestand, hatte er beschlossen, eine Reise durch den Südosten zu unternehmen. Als Vorwand führte er an, dass ein König die Länder kennen müsse, die an sein Reich grenzten, und er alles lernen müsse, was die neuen, revolutionären Waffen betraf. Seine Königin hatte sich nicht zum Narren halten lassen.
»Unsinn!«, hatte sie gesagt. »Du suchst nur eine Ausrede, um fortzugehen und umherzustreifen. Du siehst, wie unsere Söhne als junge Krieger sorglos durch die Gegend ziehen, und das erinnert dich an die Zeit, als du nur einen Speer besaßest und durch die Welt zogst.« Die Wahrheit ihrer Worte hatte ihn zusammenzucken lassen, aber er war trotzdem aufgebrochen. Das Schöne an seiner Stellung als König war die Tatsache, dass ihm niemand etwas verbieten durfte.
Seine Gefolgsleute auf dieser Reise waren entsetzt gewesen, als er ihnen befahl, ohne ihn nach Hause zurückzukehren.
»Die Königin wird unsere Köpfe fordern!«, empörte sich der Karawanenführer.
»Unsinn! Sie wird euch ein paar Stunden lang verfluchen. Das hat mich noch nie umgebracht, und euch wird es auch nicht schaden. Jetzt geht und sagt der Königin, dass ich zurückkomme, sobald ich alles erfahren habe, was ich wissen muss.« Mit einem einzigen Packtier und etlichen Ballen nevanischer Luxusgüter war er weitergezogen. Er hatte die Waren sorgfältig ausgewählt. Natürlich musste er nichts verkaufen, aber manche dieser Dinge würden ihm den Zutritt zu fast jedem Adelshaus ermöglichen.
Der Felsvorsprung, auf der die Festung lag, war unbezwingbar. Also musste es irgendwo eine Straße geben, die bis zur Rampe führte. Von dort aus konnte er über die Felsen zur Stadt hinaufreiten.
Als er den Hügel hinabritt, führte die Straße über eine breite Ebene unweit des Flusses. Er kam an vorzüglich gepflegten Feldern vorbei, auf denen ganze Sklavenkompanien unter den wachsamen Augen
Weitere Kostenlose Bücher