Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
mich mehrmals: ›Was für ein Geschwätz legen Sie mir da vor? In Wirklichkeit leisten die Truppen der Roten Armee doch hartnäckigen Widerstand.‹«
Auf die Frage nach der Propaganda unter den feindlichen Truppen berichtete Oberleutnant Conrady, damit befasse sich die Unterabteilung Propaganda. Sie sei für den Druck und die Verbreitung von Flugblättern zuständig, aber auch für mündliche Propaganda und habe für diesen Zweck 2–3 mobile Rundfunkstationen. Das Personal dieser Abteilung besteht aus Offizieren, mehreren Dolmetschern sowie einigen Feldwebeln und Unteroffizieren.
Auf die Frage nach der Wirkung unserer Propaganda antwortete Oberleutnant Conrady: »Ihre Propaganda ist wenig wirksam, da sie lediglich auf moralisch instabile Truppen Einfluss ausübt, bei uns aber waren die Soldaten selbst im Kessel bis in die letzten Tage hinein vollständig in der Hand ihrer Kommandeure. Überläufer hatten Sie wenig, nur Einzelne sind zu Ihnen übergelaufen. Als das wirksamste Mittel betrachte ich die Flugblätter, was die Radiosendungen betrifft, so nehme ich an, dass sie ineffektiv sind, weil ich aus meiner Praxis weiß, dass man keinen Gebrauch von ihnen macht.
Uns war bekannt, dass Sie in letzter Zeit die Methode, Gefangene zurückzuschicken, breit praktiziert haben. Das ist natürlich das effektivste Mittel. Die von Ihnen geschickten Gefangenen haben wir gewöhnlich nach dem Verhör in andere Truppen an einem anderen Frontabschnitt verlegt.«
Zum Abschluss wurde Oberleutnant Conrady die Frage nach der Tätigkeit der Propagandakompanien gestellt. »Die Propagandakompanien befinden sich in der Armee«, erklärte Conrady. »Sie zählen 100–120 Mann. Sie machen Folgendes: die Herausgabe der Armeezeitung, dafür gibt es eigenes Redaktionspersonal sowie Druckereien, das Fotografieren von Kampfepisoden für das Versenden von Karten ins Hinterland und die Aufnahme von Filmen ebenfalls für das Hinterland (es arbeiten bis zu 15 Fotografen), des Weiteren die Tonbandaufzeichnung von Berichten über einzelne Episoden, die Offiziere und Soldaten geben, und das Besprechen von Schallplatten, auf denen Sprecher von diesen oder jenen Ereignissen im Frontleben erzählen (die Zahl der Sprecher beträgt etwa 10 Personen). An der Front bedienen die Propagandakompanien kaum die kämpfenden Truppen. Erst wenn die Truppen zur Erholung verlegt werden, organisieren die Propagandakompanien Filmvorführungen, Vorträge und den Auftritt von Künstlern aus Deutschland (Kabarett-Varieté).
Chef der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee Major Koltynin
Oberinstrukteur der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee Hauptmann Sajontschkowski
[Unterschrift Sajontschkowski]
Protokoll
des politischen Verhörs des Kriegsgefangenen Waldemar Bredahl, Dolmetscher der 389. Infanteriedivision
Dubowka, 6. Februar 1943
Das Gespräch führte Hauptmann Sajontschkowski, Oberinstrukteur der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee
Bredahl, Waldemar . Geboren 1904 in Sankt-Petersburg. Protestant.
Deutscher. Ledig. Vater Ingenieur, Besitzer einer Steinhobelfabrik in Sankt-Petersburg. Besuch der Petersburger Oberschule. 1918 Umzug mit den Eltern nach Estland, wo er bis 1940 lebte. 1940 Übersiedelung nach Deutschland (Posen). Beruf Kaufmännischer Angestellter, arbeitete in der Firma Untech [? Wort handschriftlich, unleserlich] in Posen. Am 2. Oktober 1942 in die Armee einberufen. Am 4. November 1942 an der Front eingetroffen, Dolmetscher in der Gefangenensammelstelle der 389. I. D.
Auf die Frage nach der Stimmung in den letzten Tagen im Kessel berichtete Bredahl Folgendes: »Am 22. Januar gingen wir nach Stalingrad zurück, und den meisten Offizieren war vollkommen klar, dass weiterer Widerstand zwecklos ist und nur zu vergeblichen Menschenopfern führt (keine Kriegführung, aber zielloses Menschenmorden). Die Offiziere haben untereinander offen darüber gesprochen und sich zudem gewundert, dass das Kommando nicht in Übergabeverhandlungen eintrete. In den letzten Tagen war es das einzige Gesprächsthema. Was die Soldaten betrifft, die die wahre Lage nicht kannten, so hofften sie weiter auf Hilfe. Der Hauptgrund, der uns zur Übergabe zwang, besteht in Folgendem: Erschöpfung aller Ressourcen sowie die Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit unserer Lage, da wir von nirgendwo Hilfe zu erwarten hatten. Am 1. Februar ließ mich Stabskommandant Hauptmann Stegner zu sich kommen und befahl, dass ich, der Dolmetscher,
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