Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Moment, das es dem Gefangenen erlaube, auf einen für Deutschland günstigen Kriegsausgang zu hoffen, sei der Glaube an die unerschütterliche Disziplin der deutschen Armee. Trotz offenkundiger Fehler in strategischer und taktischer Hinsicht enthalte das Niveau der Disziplin in der deutschen Armee, nach Meinung des Gefangenen, die Möglichkeit zu weiteren Offensiven im geeigneten Augenblick.
Als Hauptgrund für alle Misserfolge betrachtet er die Schwäche der mit Deutschland verbündeten Streitkräfte. Die Tragödie der italienischen Armee sei darauf zurückzuführen, dass es in ihr kein ausgebildetes und an der richtigen Stelle eingesetztes Personal der unteren Führungsebene gebe. Das Ausbildungssystem der italienischen Armee fördere nicht die Bedingungen, Personal auf der unteren Führungsebene, das die Hauptrolle auf dem Schlachtfeld spielen muss, bereitzustellen, sondern schließe dies im Gegenteil aus. Die Rumänen seien keine schlechten Soldaten, man könnte aus ihnen machen, was man braucht, aber die rumänischen Offiziere hätten vor dem Krieg ihre ganze Zeit im Café verbracht und ihre Aufgabe, nämlich die Ausbildung der Soldaten, vernachlässigt, daraus resultierten die gravierenden Schwächen der rumänischen Armee. »Ja, es ist sehr traurig, mit diesen Verbündeten zu tun zu haben«, schloss Lüben. Die Tatsache, dass sich in letzter Zeit immer mehr deutsche Soldaten in Gefangenschaft begeben, erklärt er ebenfalls damit, dass die Verbündeten die Deutschen in Schwierigkeiten bringen, und verneint ein Nachlassen der Disziplin in der deutschen Armee. […]
Über die Einstellung der Bevölkerung in den von Deutschland besetzten Ländern den Besatzern gegenüber berichtet der Kriegsgefangene Folgendes: »In Frankreich kam es wiederholt zu Schießereien auf deutsche Soldaten auf den Straßen und in der Metro, wir haben in Frankreich jedoch keine Aufstände gegen die Deutschen zu erwarten. Die Franzosen waren immer ein leichtsinniges Volk, auch jetzt haben sie der Krieg und die Niederlage nichts gelehrt. Die Franzosen singen und tanzen wie zuvor.«
Auf den Einwand, der Gefangene habe das Leben Frankreichs wahrscheinlich durch die Fenster eines Cafés oder deutschen Restaurants beobachtet, erklärte er, er spreche von seinen Eindrücken, die Stimmung der breiten Masse kenne er jedoch nicht im Detail. In Holland und Belgien sei er ebenfalls auf Feindseligkeit den Deutschen gegenüber gestoßen. Er sagt, dass sich dies auf die Handels- und Industriekreise in Holland und Belgien beziehe, deren Geschäfte im Zusammenhang mit der Besitzergreifung der belgischen und holländischen Kolonien durch Deutschland eingebrochen seien.
Der russischen Gefangenschaft stehen deutsche Offiziere und Soldaten nicht nur deshalb negativ gegenüber, weil es als Feigheit und Verrat gelte, sich in Gefangenschaft zu begeben, sondern auch, weil man wenig über die tatsächliche Behandlung der Gefangenen in Russland wisse. Wenn die Kriegsgefangenen die Möglichkeit hätten, nach Hause zu schreiben, dann würde der Umgang mit ihnen natürlich auch in der Armee bekannt. Das würde alle Gerüchte zerstreuen, die über die russische Gefangenschaft im Umlauf seien.
Chef der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee Major Koltynin [Unterschrift]
Instrukteur der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee Major Lerenman [Unterschrift]
Protokoll
des politischen Verhörs des Kriegsgefangenen Otto Conrady, Oberleutnant, Chef der Aufklärungsabteilung 1c der 389. Infanteriedivision.
Dubowka, 7. Februar 1943
Das Verhör führte Hauptmann Sajontschkowski,
Oberinstrukteur der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee.
Oberleutnant Conrady, Otto. Geboren am 3. 3. 1904 in Berlin. Vater Polizeibeamter. Deutscher. Katholik. 1926 Abschluss des Jurastudiums an der Universität Berlin. Verheiratet. 4 Kinder. Arbeitete in letzter Zeit als Oberstaatsanwalt in Hamm (Westfalen). Heimatadresse: Hamm Westfalen, Ostenallee 93. Am 26. August 1939 in die Armee einberufen, wo er bis zum 2. 12. dieses Jahres blieb, danach wurde er in die Reserve entlassen und im November 1940 erneut einberufen. Seit Juni 1940 arbeitet er als Leiter 1c im Stab der 389. I. D.
Die Aufklärungsabteilung des Divisionsstabs besteht aus folgenden Personen: dem Chef, O-3 (Ordonnanzoffizier), zwei Dolmetschern, einem Zeichner, zwei Schreibern (die letzten drei sind Soldaten) und einem Oberfeldwebel.
Auf die Frage nach der Lage der Division in den letzten
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