Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Holland beteiligt (nach der Besetzung durch die Deutschen). Er war in Frankreich. Nahm am Krieg gegen Polen, Belgien und Holland teil und war an der Zerschlagung und Demobilisierung der französischen Armee beteiligt. Im Generalstab nahm Lüben an der Zusammenstellung neuer Truppenverbände teil und leitete diese Arbeit sogar.
Während seiner Tätigkeit als Offizier bewegte sich Major Lüben in den verschiedensten Offizierskreisen der deutschen Wehrmacht.
Im Lauf des Verhörs sagte der Kriegsgefangene, dass sich in der letzten Zeit, beeinflusst durch die Schläge der Roten Armee auf die deutsche Kriegsmaschinerie, die Tendenz in der Führungsspitze verstärkt habe, das Offizierskorps des deutschen Heeres noch enger mit der Nationalsozialistischen Partei zu verschweißen. Zu diesem Zweck verbreite die Propaganda in großem Stil die Theorie, der Sieg des deutschen Heeres sei dank der Politik der Nationalsozialistischen Partei erreicht worden. Zu diesem Zweck sei die alte, zum Teil oppositionell eingestellte Armeeführung gegen Generäle ausgetauscht worden, die eindeutig Anhänger Hitlers seien.
Besonders zugespitzt habe sich die Notwendigkeit, die Führung der Nationalsozialistischen Partei und das Offizierskorps miteinander zu verschweißen, weil die strategischen Pläne der deutschen Wehrmacht in Russland gescheitert seien, sagte der Gefangene. […]
Ab der Machtergreifung hätten sich Hitler und seine Regierung bei der überwiegenden Mehrheit des führenden Offizierspersonals keiner Sympathie erfreut. Eine Reihe militärischer Erfolge, welche die deutsche Wehrmacht in Europa errungen habe, habe Hitlers Autorität eine Zeit lang gestärkt. Doch der Krieg gegen Russland und das völlige Scheitern der abenteuerlichen Pläne, in Moskau einzumarschieren und nach Rostow sowie Stalingrad durchzubrechen, habe Hitlers Ansehen erheblich untergraben. […]
In letzter Zeit sei im Offizierskorps die Theorie im Umlauf, es gebe für Deutschland günstige und ungünstige Jahreszeiten, viele glaubten also, Deutschland könne und werde im Sommer siegreich vormarschieren, der Winter begünstige dagegen die Rote Armee.
Der Kriegsgefangene bestätigt, dass es beim Offizierspersonal eine Parallelmeinung zu den strategischen Plänen des Oberkommandos gebe, versucht aber zu beweisen, dass sie nicht den Charakter des Widerspruchs angenommen hätte. Der Plan, 1941 nach Rostow vorzurücken und nach Stalingrad durchzubrechen, war bei vielen Generälen, darunter bei General Brauchitsch, und vielen Offizieren auf Ablehnung gestoßen, doch sie drückten sie nur in Form eines Vorschlags anderer Pläne aus. Mit dem Erhalt des Befehls endeten gewöhnlich alle Gespräche. Die Kritik an der abenteuerlichen Absicht, Stalingrad einzunehmen, wurde jedoch in Offizierskreisen immer lauter.
Der Gefangene charakterisierte die Lage an den Fronten und die Perspektiven mit folgenden Worten: »Die Niederlage bei Stalingrad und der Angriff der Roten Armee sind ein schwerer Schlag für die deutsche Armee, aber dieser Angriff bietet vorerst keine Grundlage, um über einen ernsten Umschwung an der Front und den Beginn der Niederlage Deutschlands zu sprechen. Wenn es der Roten Armee gelingt, Rostow und Charkow zurückzuerobern, wird dies ein ernsthafter Indikator für den Umschwung sein, dann wird man davon sprechen können, dass sich das Kriegsglück von der bis jetzt angreifenden deutschen Armee abgewendet hat. Aber es fällt schwer, zu glauben, dass es der Roten Armee gelingen wird, diese Städte einzunehmen«, schloss der Kriegsgefangene.
Im Laufe des Verhörs erklärte Major Lüben, es sei falsch, die menschlichen Reserven Deutschlands für erschöpft oder an der Grenze befindlich zu halten. Im Zusammenhang mit der Politik, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene in der Industrie zu verwenden, könne Deutschland 10, vielleicht auch 12 (?) Millionen Männer zum Teil aus den wehrfähigen Jahrgängen, zum Teil aus der vom Wehrdienst freigestellten Reserve einberufen. Außerdem werde das deutsche Heer große Kontingente aus den Lazaretten wieder in den Dienst nehmen.
Dennoch konstatierte der Gefangene, dass die Arbeitsproduktivität der Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen, die Zwangsarbeit leisten, niedrig sei. Außerdem erhebe sich das Problem der Blutreinheit. Es gebe Sondergesetze, die den Umgang dieser Kontingente mit der Bevölkerung verbieten, aber der Schutz der Blutreinheit sei dennoch in großer Gefahr, und das wachse sich zum Problem aus. Das folgende
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