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Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Titel: Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Hellbeck
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intensiven Kämpfe vom 18. und 19. September fielen über 32000 Soldaten der 24. Armee tot oder verletzt aus. Einen Erfolg konnte die Aktion verbuchen: Sie band mehrere deutsche Divisionen sowie auch Teile der Luftwaffe und minderte damit die Durchschlagskraft des seit dem 13. September laufenden deutschen Angriffs auf Stalingrad. [370]  
    Ende September wurde die abgekämpfte 308. Schützendivision nach Stalingrad abkommandiert. Sie legte unter Umgehung der Front eine Marschstrecke von 250 Kilometern zurück und wurde in den Nächten zum 1. und zum 2. Oktober schubweise über die Wolga in die brennende Stadt übergesetzt mit dem Auftrag, die Arbeitersiedlungen vor der Fabrik »Barrikaden« zurückzuerobern. Am 3. Oktober startete Paulus einen deutschen Großangriff auf das gesamte Industrieviertel im Norden der Stadt. Der Vorstoß im Bereich der »Barrikaden« am 4. Oktober, durchgeführt von Soldaten der 24. Panzerdivision, dezimierte ein gesamtes Regiment der 308. Schützendivision. Am Abend ließ Tschuikow die restlichen Soldaten der Division aus der Feuerlinie nehmen. [371]   Stalin war unzufrieden. Am 5. Oktober wies er Kommandeur Jerjomenko mit heftigen Worten zurecht: Stalingrad werde fallen, wenn die an die Deutschen verlorengegangenen Stadtteile nicht zurückerobert würden. »Um das zu erreichen, ist es nötig, jedes Gebäude und jede Straße in eine Festung zu verwandeln. Leider haben Sie dies nicht erreicht und geben nach wie vor einen Häuserblock nach dem anderen an den Feind ab. Das zeugt von Ihrer schwachen Leistung.« [372]  
    Mitte Oktober erreichten die Kämpfe im Industriegebiet ihren Höhepunkt. Am 14. Oktober begann ein deutscher Großangriff auf das Traktorenwerk in Norden mit dem Ziel, von dort aus in südlicher Richtung am Wolgaufer bis zum Stadtzentrum vorzustoßen. Am 17. Oktober drangen deutsche Soldaten in die von der 308. Schützendivision verteidigte Fabrik »Barrikaden« ein. »Wir haben gestern«, resümierte ein Stuka-Pilot die Kämpfe des 17. Oktobers in seinem Tagebuch, »den ganzen Tag weiter die brennenden Ruinenfelder des Schlachtfeldes Stalingrad umgepflügt. Mir ist es unverständlich, wie Menschen noch in dieser Hölle leben können, aber der Russe sitzt fest in den Trümmern, in Schluchten, Kellern und einem Chaos von verbogenen Stahlgerippen der Fabriken.« [373]  
    Nach zehntägigen Kämpfen, die Teilnehmer auf beiden Seiten der Front als die infernalischste Phase der Schlacht um Stalingrad bezeichneten, war die 62. Armee auf drei flache Brückenköpfe am rechten Wolgaufer zurückgedrängt – einen von der Gruppe Gorochow gehaltenen Beutel nördlich des Traktorenwerks, die zur Wolga gelegenen Teile der Fabrik »Barrikaden« (gehalten von Soldaten der 138., 308., 193. und 45. Schützendivision sowie der 39. Garde-Schützendivision) und einen Streifen, der vom Ostrand des Mamajew-Hügels bis zum Stadtzentrum von Stalingrad reichte (verteidigt von der 284. Schützendivision und der 13. Garde-Schützendivision. [374]   Zusammengenommen waren das etwa 15000 kampffähige Soldaten. Ihre Zahl ging bis Mitte November auf die Hälfte zurück. [375]   Bis dahin waren die noch lebenden Soldaten der 308. Schützendivision verwundet abtransportiert worden, oder sie kämpften in der 138. Schützendivision weiter, die sich unter Kommando von Oberst Iwan Ljudnikow in Igelstellung am Wolgaufer hielt. [376]   Am 17. November – zwei Tage vor Beginn der »Operation Uranus« – hatte Hitler die Hoffnung aufgegeben, Stalingrad vor Einbruch des Winters einzunehmen. Er appellierte an seine Stalingrader Kommandeure, aber »wenigstens bei der (»Barrikaden«-)Geschützfabrik und beim Metallurgischen Werk (»Roter Oktober«) bis zur Wolga durchzustoßen und diese Stadtteile zu nehmen«. [377]  
    Vierundzwanzig der an den Kämpfen in Stalingrad beteiligten Soldaten der 308. Schützendivision, angefangen von Kommandeur Leonti Gurtjew und Divisionskommissar Afanassi Swirin bis hin zu Pioniersoldaten, Telefonisten und Krankenschwestern, standen im April und Mai 1943 den Moskauer Historikern Rede und Antwort. Die Interviews vermitteln eine intensive Vorstellung vom Kämpfen, Töten und Sterben auf den Schlachtfeldern vor und in der Stadt. Sie machen dabei vor allem deutlich, wie die Division trotz ihrer stetigen Abnutzung weiterkämpfte. Zum Teil hatte es mit dem Selbstbewusstsein dieser Division von Sibirjaken und der besonderen Bindung zu tun, die die Soldaten

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