Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Trotz guten Zuredens verließ sie den Bahnhof nicht, sondern bat mich weiter beharrlich, sie mitzunehmen. Da kam ein Mitglied des Militärrats des sibirischen Militärbezirks auf uns zu, als er verstanden hatte, worum es ging, sagte er: »Soll sie nur fahren.« Ich fragte, ob ich sie mitnehmen könne. »Sie können nicht, Sie müssen.« So fuhren wir beide zusammen.
Hauptmann Rywkin: Das Bataillon wurde im März 1942 zusammengestellt. Am 25. März haben wir sein einjähriges Bestehen gefeiert. Ich kam zum Zeitpunkt seiner Aufstellung in das Bataillon. Die Männer waren im Wesentlichen Sibirjaken. Da kamen unerfahrene junge Leute, die noch nie gekämpft hatten. Wir haben sie sehr lange ausgebildet. Nach zweimonatiger Ausbildung fuhren wir mit ihnen an die Front, so dass wir insgesamt fünf Monate mit ihnen gearbeitet haben. Jedem Kämpfer konnte man nun jede militärische Aufgabe anvertrauen.
Obersergeant Kokorina: Generalmajor Gurtjew hat uns sehr gut ausgebildet. Fast täglich wurden 30 bis 60 km marschiert. An manchen Tagen wurde man nicht trocken, Regen, man war gerade eingeschlafen, sofort Alarm. Auf den Alarm hin steht man auf und marschiert wieder. Die Mädchen hielten sich toll. Manchmal wurde drei Tage am Stück marschiert, ohne Ruhepause, und immer sangen wir Lieder. Bei der Rast wurde getanzt. Regimentskommandeur Michailow hat unsere Sanitätskompanie sehr gern gehabt.
Oberstleutnant Swirin: Der Divisionskommissar vor mir war entlassen worden. Generalleutnant Medwedew kam zu mir, ließ mir 15 Minuten Zeit – das Flugzeug wartete auf dem Flugplatz –, und sagte, er beordere mich in die 308. Division, die ins Gefecht ziehe. Man stellte ein Fahrzeug bereit und fuhr mich zum Flugplatz. In Omsk kam ich auf dem Militärflugplatz an. Am 10. Juni trafen wir in Saratow ein. Mir stand die Aufgabe bevor, mich mit dem politischen Apparat vertraut zu machen. Nach etwa acht Tagen hielten wir eine Parteisitzung der Division ab zu Fragen der parteipolitischen Arbeit und der Parteiorganisation. Ich hielt einen Vortrag über den Stand der parteipolitischen Arbeit und stellte eine Reihe konkreter Aufgaben, was wie getan werden müsse, damit die Division in jeder Hinsicht vorbereitet sei. Alles baute auf der Arbeit der Parteiorganisation auf. Die erste Aufgabe betraf die tägliche Versorgung unserer Soldaten, die Arbeit der Versorgungsabteilung. Nach der Parteisitzung überprüften wir die Arbeit der Versorgungsabteilung, stellten eine Reihe von Mängeln fest und schlugen einige Maßnahmen zur Verbesserung vor. Die nächste Aufgabe betraf die sanitäre Situation des Soldaten, er sollte sich im Dampfbad waschen und saubere Wäsche erhalten. Die sanitäre Aufgabe wurde in der Division ordentlich erledigt. Und natürlich stand die Aufgabe an, die Division auf den Kampf vorzubereiten. Dieser Aufgabe wurde die breitgefächerte parteipolitische Arbeit zugrunde gelegt. Die Form dafür waren Versammlungen auf Kompanie- und Regimentsebene, wo ich sehr oft Vorträge halten und über verschiedene Fragen sprechen musste.
Politstellvertreter des Divisionskommandeurs Oberstleutnant Afanassi Swirin
Während der Gefechtsausbildung ging es darum, die Panzer-Angst und die Luftkrankheit [405] zu beseitigen. In der Praxis waren wir auf dieses Problem gestoßen.
Wie beseitigt man die Panzer-Angst in der Praxis?
Wir hämmerten jedem Panzerabwehrsoldaten vor allem die Kraft, Stärke und Grausamkeit der Panzerabwehrwaffen ins Bewusstsein. Mit Platten, die wir von der Eisenbahn beschafft hatten, gaben wir jedem Soldaten die Möglichkeit, sie zu durchschießen. Jeder Soldat überzeugte sich selbst davon, dass er einen Panzer treffen und die Panzerbüchse gut beherrschen kann. Was taten wir nicht alles in dieser Hinsicht – wir ließen Panzer über die Soldaten rollen, die in Verteidigungsgräben saßen, sie überzeugten sich davon, dass sie in dem schmalen Splittergraben sicher saßen, anschließend kletterten sie heraus und warfen Granaten.
Außerdem erzogen wir die Kämpfer am Beispiel der heldenhaften Sewastopoler, die sich zu fünft unter die Panzer geworfen hatten, und der Heldentaten von Panfilows Kämpfern – 28 Mann, die es geschafft hatten, solch eine Stahllawine aufzuhalten. […]
Wir schulten die Männer in der Tradition unserer russischen Armee. Zitierten oft die Aussprüche unserer großen Feldherren, die sagten, um ihre Frauen und Kinder zu schützen, müssten die Soldaten das Vaterland verteidigen, ohne die
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