Die standhafte Witwe
neben Johanna.
Sowohl Nicholas als auch Gabriel standen auf, als Clare in die große Halle kam. Johanna mußte den anderen Männern erst wild signalisieren, damit sie es ihnen nachtaten.
Während die schöne Frau auf den Tisch zukam, betrachtete Nicholas sie aufmerksam. Gabriel dagegen starrte seinen Schwager an. Er wartete auf ein Zeichen des Erkennens.
»Habt Ihr die Frau schon mal gesehen, Nicholas?« fragte er ihn schließlich.
Sein Schwager war beleidigt über Gabriels Tonfall. »Wo zum Teufel hätte ich sie denn kennenlernen sollen?«
Johanna beeilte sich, die beiden einander vorzustellen. Clare knickste, aber weil Nicholas so finster blickte, lächelte sie nicht.
Gabriel war noch nicht willens, sich geschlagen zu geben. Er hatte lange genug darüber nachgedacht und war immer nur zu dieser einen logischen Schlußfolgerung gekommen: Das MacBain-Plaid war an der Grenze des MacInnes-Clans gesehen worden. Nicholas hatte das Plaid bei seiner letzten Heimkehr getragen, und kein anderer seiner Soldaten war in der Nähe der Burg gewesen. Also mußte er Clare MacKay geschwängert haben.
»Ihr wollt mir also sagen, Ihr habt Clare MacKay noch nie zuvor gesehen?« fragte er.
»Das will ich Euch sagen, ja«, sagte Nicholas gedehnt.
»Verdammt.«
»Gabriel, was ist los mit dir?« fragte Johanna. »Clare, komm und setz dich neben mich.«
»Ich dachte, dein Bruder wäre für Clares Zustand verantwortlich.«
»Wie konntest du so etwas glauben?« rief Johanna entrüstet. »Er würde niemals eine Frau zurücklassen …«
»Es war ein logischer Schluß«, verteidigte sich Gabriel.
»Es war ein unerhörter Schluß«, fauchte Johanna.
Nicholas versuchte derweil, der heftigen Diskussion zu folgen. Er begriff sehr wohl, daß sein Schwager ihm die Schuld für irgend etwas in die Schuhe schieben wollte und Johanna ihn tapfer zu verteidigen versuchte. Aber er hatte nicht die geringste Ahnung, was er angestellt haben sollte.
»Für was genau bin ich denn verantwortlich?« fragte er Gabriel.
»Nicholas, diese Sache geht dich nichts an«, fuhr Johanna dazwischen.
»Natürlich geht es ihn etwas an«, schnappte Gabriel. »Wenn er der Vater ist …«
Sie ließ ihn nicht ausreden. »Das ist er nicht!«
Gabriels Blick war eisig. »Aha«, bemerkte er. Er setzte sich, bedeutete Nicholas, dasselbe zu tun und wandte sich wieder seiner Frau zu.
»Du weißt, wer dieser Mann ist, nicht wahr, Johanna?«
Johanna nickte. Sie hatte wirklich vor, ihrem Mann die ganze Sache zu erklären, aber sie wollte lieber warten, bis sie allein waren.
»Wir haben Gäste«, flüsterte sie und hoffte, Gabriel würde begreifen, daß sie diese delikate Angelegenheit nicht jetzt besprechen wollte.
Er weigerte sich, ihren Wink zu verstehen. »Du sagst mir jetzt sofort den Namen«, befahl er.
Sie seufzte. Clare hatte die ganze Zeit den Kopf gesenkt gehalten und die Fäuste im Schoß geballt. Als Gabriel nun von Johanna den Namen wissen wollte, schaute sie auf und holte tief Atem. »Es gibt keinen Mann, Clansherr MacBain.«
Auf diese Antwort war Gabriel nicht vorbereitet. Er lehnte sich im Stuhl zurück und starrte Clare eine lange Zeit an, bevor er sich wieder seiner Frau zuwandte.
Sie nickte zur Bekräftigung. »Es gibt keinen«, sagte sie, Ohne ihren Mann aus den Augen zu lassen, griff Johanna nach Clares Hand. »Mach dich bereit«, flüsterte sie.
»Bereit wofür, M’lady?« flüsterte Clare zurück.
»Für das Knurren.«
Gabriel ignorierte ihre Witzelei. Er hatte die Neuigkeit immer noch nicht verarbeitet. Die Konsequenzen waren nicht abzusehen, und so sehr er es auch versuchte, er konnte nicht begreifen, warum sich die Frau mit einer Lüge in solche Gefahr gebracht hatte.
Er schüttelte den Kopf. Johanna nickte. »Das ist doch eine herrliche Neuigkeit, Gabriel«, fand sie.
Sein Gesicht lief rot an. Offenbar fand er die Neuigkeit alles andere als herrlich. Clare quetschte Johannas Hand nun in deutlicher Angst. Johanna wandte sich zu ihr.
»Du brauchst keine Angst zu haben«, verkündete sie. »Mein Mann würde dir nie etwas tun. Er ist nur ein bißchen überrascht, das ist alles. In ein, zwei Minuten hat er es verkraftet.«
»Würde mir bitte mal jemand erklären, was zum Donner hier los ist?« fragte Nicholas.
»Nein!« brüllten Gabriel, Johanna und Clare einstimmig.
Johanna erkannte als erste, wie unmöglich sie sich ihrem Bruder gegenüber benahm.
»Gabriel, diese Sache kann bis später warten«, sagte sie. »Bitte!« fügte sie
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