Die standhafte Witwe
noch hinzu, als sie seine streitlustige Miene sah.
Schließlich nickte ihr Mann. »Bei Tisch sollte man angenehmere Gespräche führen«, sagte sie dann. »Oder findest du nicht, Clare?«
»Doch«, antwortete diese. Sie ließ Johannas Hand los und straffte sich auf ihrem Stuhl. »Hast du deinem Bruder schon die gute Nachricht erzählt?«
»Mein Mann hat es getan«, erwiderte Johanna.
»Nein, hab’ ich nicht«, sagte Gabriel.
Er hörte sich immer noch verärgert an, aber sie ließ sich nicht beirren. »Warum denn nicht?«
»Ich dachte, du wolltest es tun?«
Sie lächelte. Natürlich war Nicholas inzwischen äußerst neugierig. »Um was geht es?«
»Sag du es ihm«, meinte Johanna beharrlich.
»Was sagen?« fragte Nicholas.
»Dein Bruder ist ein ziemlicher ungeduldiger Mann«, bemerkte Clare. »Aber das sind ja alle Engländer.«
»Nein, sind sie nicht«, fauchte Nicholas. »Johanna, erzähl mir, was für eine Nachricht es gibt.«
Nicholas’ grober Tonfall empörte Clare. Sie straffte die Schultern ein bißchen mehr und warf dem ungezogenen Engländer einen bösen Blick zu.
»Sie ist nicht unfruchtbar«, verkündete Gabriel und grinste. Seine Soldaten nickten zustimmend.
»Genau, ist sie nicht«, wiederholte Keith, und die Soldaten nickten wieder. In diesem Augenblick traten Calum und Leila in die Halle. Sie hielten sich an den Händen, ließen sich aber los, als sie die Treppe herunterkamen. Johanna mußte bei dem Anblick des glücklichen Paares lächeln, dann wandte sie sich wieder ihrem Bruder zu.
Er sah nicht so aus, als hätte er verstanden. »Ich bekomme ein Kind, Nicholas.«
»Wie ist denn das möglich?«
Johanna wurde rot, und Gabriel mußte darüber lachen.
»Sie ist mit einem Highlander verheiratet«, antwortete er an Johannas Stelle. »Und so ist es passiert!«
Nicholas stimmte in sein Lachen ein und klopfte ihm auf die Schulter, während er ihm seinen Glückwunsch aussprach. Dann wandte er sich wieder an seine Schwester.
»Das ist ja wundervoll«, sagte er, und seine Stimme bebte vor Emotionen. »Mutter wird sehr glücklich sein.«
Johannas Augen füllten sich mit Tränen, und sie griff nach dem Leintuch, das im Ärmel ihrer Bluse steckte. »Ja, bestimmt«, sagte sie, während sie sich die Augenwinkel tupfte. »Du mußt es ihr sofort sagen, wenn du wieder in England bist. Sie will bestimmt für das Baby nähen.«
»Versteht Ihr nun, warum meine Frau nicht durch irgendwelche schlechten Nachrichten aufgeregt werden soll?« fragte Gabriel.
»Ja«, gab Nicholas zurück.
Sie wollten ihr also wirklich nichts über Raulf erzählen, dachte sie. Sie wollten sie unbedingt vor Ärger schützen, aber natürlich würde sie es irgendwann erfahren müssen. Blieb nur noch die Frage, wie lange die beiden das Geheimnis für sich behalten konnten.
Sicher, ihre Motive waren ehrenvoll, aber Johanna hatte keine Lust, wie ein Kind behandelt zu werden. Außerdem mußte über die Sache gesprochen werden. Sie hatte schließlich bereits einen fertigen Plan, wie Raulf in seine Schranken gewiesen werden konnte, und sie wollte mit ihrem Mann darüber sprechen.
Ihr Mann brütete nun vor sich hin, und auch Nicholas schien in seine Gedanken versunken. Beide Männer blickten finster drein, keiner von beiden aß etwas.
Johanna wollte bis nach dem Essen warten. Sie beschloß, das Gespräch auf alltägliche Dinge zu lenken.
»Hast du bemerkt, daß die Mauer fast fertig ist, Nicholas? Die Männer haben seit deinem letzten Besuch einen anständigen Teil Arbeit geleistet.«
Nicholas nickte.
»Keith, habe ich schon erwähnt, wie gut Ihr in dem MacBain-Plaid ausseht?« bemerkte sie.
Der Soldat grinste. »Aye, M’lady. Heute mindestens schon zehnmal.«
»Mir hat sie gesagt, in dem MacBain-Plaid sehen meine Schultern breiter und stärker aus«, rief Michael aus.
»Bei mir meinte sie, ich sehe größer aus«, warf Lindsay aus.
»Und ich habe auch jedes Kompliment so gemeint«, sagte Johanna hastig. »Jeder von Euch sieht in diesen Farben besser aus.«
Die Soldaten lachten. »Wir haben das Plaid unseres Clansherrn akzeptiert, M’lady. Ihr müßt Euch keine Sorgen mehr darüber machen.«
»Das habe ich auch gar nicht«, verteidigte sie sich.
»Warum schmeichelt Ihr uns dann plötzlich so sehr?« wollte Keith wissen.
Sie zuckte die Schultern, was die Männer wieder ausgesprochen lustig fanden. Sie sah also zu, daß sie die Unterhaltung auf ein weniger verfängliches Thema lenkte. Die Soldaten hatten bisher
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