Die standhafte Witwe
würde ihr das wieder abnehmen. Nicht einmal ein Dämon.
Schützend legte sie ihre Hand auf den Bauch. Tränen quollen in ihre Augen, aber es waren Freudentränen über das Wunder, das in ihrem Bauch heranwuchs.
Sie sprach ein Dankgebet für all die schönen Dinge, die Gott ihr gewährt hatte. Sie dankte Ihm für Alex und Gabriel und das Kind, das in ihr schlief, und sie dankte Ihm, daß Er sie in diesen sicheren Hafen geführt hatte, wo sie ihre Angst vergessen und lieben lernen konnte, und zuletzt dankte sie Ihm, daß Er sie stark und klug erschaffen hatte.
Und dann benutzte sie ihre Klugheit, um einen Ausweg zu finden.
Fast eine Stunde lang saß Johanna in der Dunkelheit, und als sie schließlich aufstand, hatte sich in ihrem Kopf ein Plan gefestigt. Nun fühlte sie sich friedlich, ja sogar heiter. Und noch wichtiger: Sie hatte sich wieder vollkommen unter Kontrolle.
Ja, sie hatte es weit gebracht. Sie lächelte über ihr Eigenlob, schüttelte dann aber den Kopf, weil sie sich so albern benahm. Alles würde gut werden. Wenn es zu einem Wettstreit der Klugheit kommen sollte, dann hatte Raulf nicht den Hauch einer Chance gegen sie. Sie hielt Männer, die Frauen schlugen, für ausgesprochen dumm. Sie mußten im Grunde Schwächlinge voller Komplexe sein, und Raulf besaß solche Charaktermängel zuhauf. Ja, sie würde siegen, wenn die Schlacht am Londoner Hof mit Beschuldigungen und Drohungen stattfand. Sie konnte das Wissen über seine Schandtaten gegen ihn verwenden. Wenn Raulf jedoch entschlossen war, Gewalt anzuwenden, konnte sie natürlich nicht genug körperliche Kraft gegen ihn aufbringen. Aber das war auch nicht wichtig. Raulf konnte mit einer Armee gegen sie aufmarschieren, und dennoch würde sie letztendlich siegen. Denn es gab Gabriel. Er war ihr Liebster, ihr Beschützer, ihr ein und alles. Sie hatte vollstes Vertrauen in seine Fähigkeit, seine Familie zu schützen. Raulf war kein Gegner für ihn.
Schließlich konnte ein Dämon nur zu leicht von einem Erzengel zerschmettert werden.
Johanna seufzte. Nun konnte sie den Trost ihres Mannes gebrauchen. Also raffte sie ihre Röcke und rannte in die Halle zurück.
Nicholas fing sie mitten im Saal ab und riß sie von den Füßen.
»O Nicholas, ich bin so froh, dich zu sehen!« rief sie.
»Laßt sie runter, verdammt!« grollte Gabriel. »Und nehmt die Hände weg von ihr. Meine Frau ist nicht in der Verfassung, wie ein Ball herumgestoßen zu werden.«
Johanna und Nicholas kümmerten sich beide nicht um Gabriels barsche Befehle. Sie küßte ihren Bruder und drückte ihn fest an sich. Schließlich setzte er sie doch ab und legte ihr einen Arm um die Schultern.
»Meine Schwester sieht vielleicht zerbrechlich aus, MacBain, aber selbst ihr müßtet inzwischen festgestellt haben, daß sie stark wie ein Ochse ist.«
»Ich stelle fest, daß Ihr sie immer noch anfaßt«, fauchte Gabriel. »Johanna, komm her. Du sollst an der Seite deines Mannes stehen.«
Er hörte sich zornig an, aber das Funkeln in seinen Augen sagte ihr, daß er sich freute, sie so glücklich zu sehen. Wahrscheinlich mochte er Nicholas sogar, aber er würde es nur über seine Leiche zugeben, dachte sie. Männer waren wirklich ein umständlicher Haufen.
Sie löste sich von ihrem Bruder und ging zu ihrem Mann. Er schlang augenblicklich einen Arm um sie und zerrte sie an sich.
»Warum hast du Mama denn nicht gleich mitgebracht, Nicholas? Sie wollte uns besuchen kommen und hätte sich sicher sehr über deine Begleitung gefreut. Stimmt’s, Gabriel?«
Dieser nickte. »Ja, Nicholas«, sagte er. »Warum habt Ihr sie nicht mitgebracht?«
»Sie war noch nicht soweit«, entgegnete er. »Außerdem hat sich eine Unannehmlichkeit ergeben, Johanna …«
Gabriel unterbrach ihn. »Deine Mutter kommt nächsten Monat.«
»Bitte, sag mir doch, was du mit Unannehmlichkeit meintest«, bat Johanna. Beide Männer sahen aus, als fühlten sie sich unbehaglich. Wahrscheinlich wußten sie nicht, wie sie ihr die schlechte Nachricht beibringen sollten. Doch als sie eine Weile gebohrt und nachgehakt hatte, kam sie zu dem Schluß, daß beide keinerlei Absicht hegten, ihr überhaupt etwas davon zu sagen.
Gabriel konnte sich kaum dazu durchringen, Johanna loszulassen. Als sie sich schließlich an den Tisch setzten, um zu essen, griff er immer wieder nach ihrer Hand.
Nicholas saß seiner Schwester gegenüber und an Gabriels Seite. Keith fand neben ihm Platz. Clare kam ein paar Minuten später dazu und setzte sich
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