Die standhafte Witwe
albern. Schließlich wollte sie doch nicht mit einem Mann verheiratet sein, der sie anlog. Nein, bestimmt nicht.
Sie wußte, daß sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Bestimmt war es die Erschöpfung, die ihr solche närrischen, unwichtigen Dinge eingab. Was sollte es sie schon kümmern, ob er sie wollte oder nicht. Sie hatte doch genau das bekommen, weswegen sie in die Highlands gereist war, um zu heiraten. Sie war aus König Johns Klauen entkommen. Sie war frei … und in Sicherheit.
Sie hatte genau das bekommen, was sie haben wollte, und er ebenso. Das Land gehörte nun ihm.
»Du bist zu weich. Ich hätte eine starke Frau mit fester Haut bevorzugt.«
Sie war fast eingeschlafen, als sie seine Bemerkung hörte. Da ihr darauf keine Erwiderung einfiel, schwieg sie.
Eine weitere Minute verstrich, bis er wieder sprach. »Du bist zu zart für das Leben hier. Ich bezweifle, daß du ein Jahr überlebst. Wahrscheinlich hätte ich besser eine robustere, weniger gefühlsbetonte Frau geheiratet. Aye, du schaffst kein ganzes Jahr hier draußen.«
Er klang nicht besonders erschüttert über diese Möglichkeit. Sie gab sich Mühe, sich nicht beleidigt zu fühlen. Zudem würde sie nicht versuchen, ihm seine Meinung auszureden. Was würde es schon nützen, ihm klarzumachen, daß sie sehr wohl so stark und leidensfähig war wie jede Frau aus den Highlands? Gabriel schien seine Meinung ja schon gefaßt zu haben, und nur die Zeit, die sie gemeinsam verbrachten, würde beweisen, daß sie keine zarte Sommerblume war. Sie hatte Widerstandsfähigkeit. Sie hatte sich schon selbst bewiesen, daß sie eine Frau war, die zu überleben verstand.
»Du bist so schüchtern. Ich hätte wohl besser eine Frau genommen, die einen starken Willen besitzt.«
Es kostete sie gewaltige Kraft, den Mund zu halten. Sie hatte ihm eine kleine, simple Frage gestellt. Ein schnelles Ja oder Nein hätten als Antwort genügt. Er schien nun statt dessen Gefallen daran gefunden zu haben, ihre Schwächen aufzuzählen, und sie konnte das Lachen in seiner Stimme hören. Ihr Mann schien, wie sie langsam begriff, ein wenig rüde zu sein.
»Du hast alberne Ansichten. Ich hätte wahrscheinlich besser eine Frau geheiratet, die stets mit mir übereinstimmt.«
Sie begann wütend mit den Fingerspitzen auf seiner Brust herumzutrommeln. Er legte seine Hand über ihre, um die vielsagende Geste zu unterbrechen.
Johanna gähnte laut. Es sollte ein Wink mit dem Zaunpfahl sein, sie endlich schlafen zu lassen. Ein rücksichtsvoller Ehemann würde spätestens jetzt seine Litanei an Beleidigungen abbrechen.
Gabriel war nicht besonders rücksichtsvoll. »Du hast vor jeder Winzigkeit Angst«, bemerkte er, als ihm wieder einfiel, was für ein Gesicht sie beim Anblick seines Wolfshundes gemacht hatte. »Ich hätte eine Frau bevorzugt, die meinen Hund das Fürchten lehrt.«
Die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, machte sie immer benommener. Sie legte ein Bein über seine Schenkel und rückte näher.
»Im übrigen bist du zu dünn«, sagte Gabriel. »Der erste Nordwind wird dich umpusten. Ich hätte besser eine große, kraftstrotzende Frau geheiratet.«
Nun war sie wirklich viel zu schläfrig, um mit ihrem Mann zu streiten. Empörung benötigte zuviel Konzentration. Johanna dämmerte dahin, während ihr Mann die Liste ihrer zahllosen Fehler fortsetzte.
»Du bist schrecklich naiv, Frau«, sagte er, als er daran dachte, daß sie geglaubt hatte, das Klima in den Highlands wäre das ganze Jahr über mild. Sie hatte die hinterhältige Lüge ihres Bruders akzeptiert.
Lange Minuten verstrichen, bevor Gabriel sich endlich entschloß, ihre Frage zu beantworten.
»Johanna?«
Sie gab ihm auch jetzt keine Antwort. Er beugte sich über sie, küßte ihre Stirn und flüsterte: »Und ich bin sehr, sehr froh, dich geheiratet zu haben.«
KAPITEL 6
Johanna erwachte von einem hämmernden Geräusch, dem ein Krachen folgte, das sich anhörte, als wäre das Dach eingestürzt. Sie schoß im Bett hoch. Im gleichen Moment öffnete sich die Tür, und Gabriel trat ein. Instinktiv griff sie nach der Decke und zog sie vor die Brust.
Sie wußte, daß sie einen fürchterlichen Anblick bot. Ihr Haar hing ihr wüst ins Gesicht und behinderte ihre Sicht. Sie hielt die Decke mit einer Hand fest, während sie sich mit der anderen die wilden Strähnen aus dem Gesicht schob.
»Guten Morgen, Clansherr MacBain.«
Er registrierte amüsiert ihre plötzliche Schamhaftigkeit, die so ganz im Gegensatz zu
Weitere Kostenlose Bücher