Die Stasi Lebt
Bundestagswahlkampf zu erhalten«: »Umfangreiche Aktivitäten« gingen von »Lüthje, Uwe« aus, geplant seien Kontakte mit der Firma Gebr. Heitkamp GmbH, Bauunternehmen, Herne-Wanne-Eickel. Am 23. Juni 1980 treffe er sich mit Dr. von Sperber, Hauptgeschäftsführer der Grundbesitzerverbände. Termin mit Bankier Graf Finck von Finckenstein am 16. Juni 1980. Friedrich Schütte von der Deutschen Bank ist zwei Tage später dran, 15 Uhr 30. Dessen Beiratskollege Peter Jungen, Vorstandsvorsitzender der Weserhütte, folgt am 27. Juni, 9 Uhr. Dr. Werner Haustein von der Strabag Bau AG findet sich ebenso auf dem Stundenplan wie die Firma Bösebeck und Bergmann, »Damenkleider«. Kontakte zu »Vertretern des Springer-Verlages«, Hamburg, sind für den 12. Juni avisiert. Beklagt wurde, dass sich die »Kontaktperson der CDU« bei den Waggonwerken Uerdingen »bezüglich weiterer Spenden zurückhaltend« verhielt.
Allerhöchste Diskretion war am Telefon Ehrensache. Am 17. Dezember 1980 jedoch, belegt Dokument 0050, plaudert Lüthje gegenüber einem K. aus, er habe von Herrn von Oppenheim (gemeint: das Bankhaus von Oppenheim) »1,3 erhalten«. Weiterhin werde die männliche Person namens Weyrauch (CDU-Steuerberater,d. Red.) »ebenfalls noch 500 übergeben«: »Da müssen noch ein paar Transaktionen laufen in Frankfurt.« Wenn nicht alles täuscht, ergibt das zusammen 1,8 Millionen Mark. Ein als »streng vertraulich« eingestufter Hinweis der Funkabwehr vom Juni 1980 hat es dann besonders in sich. Sie vermeldet, »dass die CDU bei einer Bank in der Schweiz über ein Konto verfügt, auf der offensichtlich über Deckadressen Gelder aus der BRD für die CDU eingezahlt werden können«. Es solle sich um ein Bankhaus »Fontobel« handeln, Zusatz: »Schreibweise unsicher.« Tatsächlich heißt das Geldinstitut richtig »Vontobel«. Die Stasi ist ganz Ohr und vermeldet in verquerem Deutsch nach oben: »Aussagen des Lüthje zufolge betrug am 6. Juni 1980 die Höhe des Kontostandes 593 000 Mark.« Ein Satz mit Zündstoff für den aktuellen CDU-Skandal. Denn Helmut Kohl behauptet, von Schweizer Konten nichts gewusst zu haben. Tatsächlich? Durch die Stasi Rostock ist mit Datum 29. Juli 1976 protokolliert, was Kiep brühwarm seinem Adlatus Lüthje erzählte. Nämlich, dass »ich Ihnen berichtete von einem Gespräch mit Kohl, wo er sagte, haben wir noch irgendwo irgendwas beiseite geschafft«. Lüthje brav: »Ja.«
Das Band dreht sich auch munter, als am 18. April 1980 der Anrufer Lüthje um einen Termin bei »Herrn Kohl« ersucht. Teilnehmen soll »ebenfalls ein Wirtschaftsprüfer aus Frankfurt, Herr Weyrauch«. Man kann sich heute gut ausmalen, wie das Trio (das zehn Jahre später das Spenden-Debakel der Union verschulden sollte) den Bimbes zählt und wie der unter Freunden zu Scherzen aufgelegte Kohl zum Besten gibt, die Sozen könnten nicht mit Geld umgehen. In diesen Kontext passt, was als Quintessenz eines mitgehörten Dialogs zwischen Weyrauch und Lüthje auf einem anderen Blatt steht: Lüthje sei »vor kurzem von einer Reise aus der Schweiz« zurückgekehrt – wie man heuteweiß, die Heimat diverser CDU-Konten. Es ist ein schöner Zufall, dass die Schattenwirtschaftler kurz zuvor, am 21. Mai 1980, bei Kohl zusammengluckten. Weitere Lüthje-Ausflüge nach Zürich sind aktenkundig, etwa in dem Lüthje-Satz gegenüber Weyrauch: »In der Schweiz neulich war’s auch ganz hervorragend, irgendwann auch im Detail«. Es wird die Frage erörtert, »ob die 500« eingegangen sind. Am 30. Mai 1980 fällt in einem Telefonat das Stichwort »EU Vaduz«, vom Stasi-Protokollanten falsch als »EO Vaduz« verstanden. Gemeint war die »Europäische Unternehmensberatungs-Anstalt«. Dies sei ja eine Firma, die von der CDU gegründet worden und an deren Erfolg die CDU beteiligt sei. Tatsächlich diente das Liechtensteiner Unternehmen lange dazu, West-Firmen mit Rechnungen über (meist nicht stattgefundenen) Service zu belasten – und den Erlös danach in die Unions-Kasse zu schleusen.
Die ehrenwerte Gesellschaft ging bei alledem professionell konspirativ zu Werke. Nachzulesen in Einzelinfo 129/77, »Funkversorgungsgebiet Hamburg/Politiker«, am 26. Mai 1977 um 9.08: Lüthje spricht mit seiner Sekretärin: »Also wir müssen uns jetzt etwas einfallen lassen wegen der Telefoniererei mit den Firmen da unten in der Schweiz.« Er empfiehlt ihr, diverse Gespräche nicht vom Büroapparat aus zu führen, sie solle irgendwohin gehen, die Telefonkosten würden
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