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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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ersetzt. Lüthje ergänzt: »Mein Telefon ist genauso problematisch.« Die Nummern besagter Firmen stünden auf »grünen Kopien«, die sie habe, »dann kriegen Sie die Sache ja klar«. Lüthje schlägt vor, »dass Sie sich irgendwo an ein Telefon begeben«. Ein möglicher Hinweis, dass den Schlüsselfiguren die Ungesetzlichkeit ihres Handelns wohl bewusst war?
    Sehr heikel auch, was die Quelle »T2« aufnimmt und in Dossier 5751 als Abschrift von Spule 444 zusammenfasst, am 23. Oktober1980 durch Mitarbeiter »45« kontrolliert. Ein Anrufer läutet durch, und die Stasi spitzt die Ohren bei dem, was er Lüthje auftischt: »Die Person Genscher soll Mitglied einer Sozietät in Bremen sein, an die er Kabinettsbeschlüsse weitergibt, so dass Gesellschaften auf Vorrat gegründet werden.« Ferner: »In einer Sozietät W. in Düsseldorf, die gegen das Wirtschaftsministerium in Sachen 6-B-Bescheinigung, auch Flick, tätig wird, soll die Person Lambsdorff (…) Sozius sein.« Dann wird das Gespräch abgebrochen. In anderer Handschrift fügte ein Geheimdienstler hinzu: »FDP unter Druck setzen.«
    Dem Dossier zufolge forschte die Stasi den CDU-Finanzexperten mindestens bis zum 7. Dezember 1988 aus. Da bekräftigte Mielke-Mitarbeiter Müller, »Telefon 6617«, das besondere Interesse an Lüthje und an »Interna aus der CDU«. Wer hätte das nicht.

Der gläserne Riese
    Ein Bericht über das Lauschen bei Helmut Kohl
     
     
    Für die DDR-Staatssicherheit war Helmut Kohl eine bevorzugte Zielperson. Tag und Nacht wurde der Kanzler abgehört. Ob er mit seiner Referentin telefonierte oder mit seinem Schneider: Die Stasi war immer in der Leitung.
     
    Den Tag, an dem die DDR-Staatssicherheit Helmut Kohl letztmals belauschte, vergisst Major T. nie. Es war der 5. Dezember 1989. In der Abhörzentrale Berlin-Köpenick herrschte Panik. 24 Stunden zuvor hatte die Hauptabteilung III (HA III) ein Telefonat zwischen dem Bonner Innenminister Wolfgang Schäuble und DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski mitgehört. Dessen Hilferuf an den westdeutschen Verhandlungspartner fasst T. in der Erinnerung so zusammen: »Hier brennt die Luft. Ich komme mal!« Spätestens mit dieser Fluchtankündigung wusste die »Diensteinheit des funkelektronischen Kampfes« (Eloka) definitiv: Das Ende naht. Die Tonbänder der demoralisierten Truppe liefen noch. Über Ticker kamen weiter meterweise Fernschreiben von den 45 Stützpunkten herein. Aber die aufgefangenen Gespräche interessierten niemanden mehr. Nach außen operierte die 2400 Köpfe starke HA III unter der Bezeichnung »Institut für Technische Unterstützung«. Für eine Einrichtung zur Überwachung »von Funknetzen und Nachrichtenverbindungen der Nato-Staaten« war die Tarnung nicht schlecht erfunden: Zugang zum »Zentralobjekt Wuhlheide« nur mit MfS-Ausweis und Sonderstempel.
    Wachleute patrouillierten am Zaun. Drinnen hütete im vierten Stock, direkt unter dem Operativen Lagezentrum, Hauptmann Uwe B. die aktuellen Abhörprotokolle zur besonders umsorgten Zielperson Kohl. Die Papiere kamen in Hängemappen. T. breitet zur Verdeutlichung die Arme aus: Die Schränke seien voller Material gewesen, in Metern könne er es nicht sagen. Ältere Dossiers wanderten in die Kellerablage. Da kam einiges zusammen. Für die Stasi verwandelte sich mit jeder Seite der schwarze in einen gläsernen Riesen, nah genug war sie am Christdemokraten dran.
    Im Auftrag von Markus Wolfs Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) hatten die Elektroniker den Kabinettschef, »Streng geheim!«, in ihr dichtes Überwachungsnetz eingesponnen. »Auf 25 bis 30 Seiten pro Woche« schätzt ein Beteiligter im Rückblick das Lauschergebnis zu »Kohl, Helmut, Bundeskanzler der BRD«, wie er in der Akte heißt. Allein von 1982 bis 1989 wären das sagenhafte 9000 Blatt Minimum. Die Zahl halten Insider für »absolut realistisch«. Beim aufstrebenden Mainzer Politiker hörte die Stasi jedoch schon in der Ministerpräsidenten-Zeit zu; »Beginn 1975«, weiß T. und ergänzt lapidar: »Es gab umfangreichere Vorgänge.«
    Am 16. Januar 1984 modifizierten die Hauptleute B. und L., intern nur »der kleine L.«, den Helmut Kohl betreffenden Zielkontrollauftrag: »Informationsbedarf: alle anfallenden Gespräche«. Zwar scherten sich die Offiziere dabei nicht um grammatikalisch korrekten Satzbau. Der knappstmöglich gehaltene Befehl lief auf eine totale Kontrolle des für seine Telefonitis bekannten Politikers hinaus; nicht umsonst porträtierten

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