Die Stasi Lebt
Messerschmitt-Bölkow-Blohm: »Erbeten wurden die entsprechenden Aktivitätendes Lüthje von einem Herrn F. vom Bankhaus Leiband? o. ä, vermutlich Hamburg«. Über das Bankhaus, so die Notiz, liefen offensichtlich Verrechnungen der CDU-Bundesgeschäftsstelle. Unterschrift: »Major Schleiß«, Anlage: »8 Gespräche«. Ein Geldinstitut dieses Namens gab es an der Elbe jedoch nicht.
Sofern die Stasi nach einem Muster für ihr CDU-Mosaik suchte, bei Uwe Lüthje fand sie das Erhoffte. Dem Reisenden in Sachen Geldbeschaffung zuzuhören hieß in ein fein gesponnenes Beziehungsgeflecht einzudringen. Schon ein Schnelldurchlauf durch seine Akte erbringt 250 zumeist hochkarätige Bezugspersonen, ein Auszug aus dem »Wer ist wer« von Politik und Industrie. Dossier 7081, angelegt am 9. November 1979, 9.44 Uhr, Spule 182, Bandgeschwindigkeit 4,7 cm/s, hält fest: »Weiterhin wird bekannt, dass eine männliche Person namens B. bei einer Wirtschaftftvereinigung und mit finanziellen Zusagen am Wahlkampf teilnehmen will.« Telex 5/8/76, am Rohr lauschen diesmal die Magdeburger, registriert in ebendiesem Verlautbarungsstil eine bereits geflossene »finanzielle Unterstützung« der CDU durch die »Firma Chemie Gruenental«. Für aufschlussreich halten die Schnüffler den Hinweis zum »führenden BRD-Spirituosenfabrikanten Eckes, Ludwig«. Der habe sich gegenüber Lüthje bereit erklärt, die Druckkosten für ein sogenanntes Wahlkampfmanifest in Höhe von 125 000 Mark zu übernehmen. Auflage drei Millionen. Erhellend ist ferner, was Westberlins Landesschatz-meister Hans-Joachim Böhm ihm en passant mitteilt: Kiep habe ihm versprochen, für »Herrn von Weizsäcker die Allianz anzusprechen«, die Versicherer sollten »auch was geben für euren Wahlkampf«. In dem Zusammenhang wird noch erwähnt: »Die Sache mit Hertie hat geklappt.« Eine besondere Supernase der Stasi schreibt hinter den Namen Hertie: »männlich, nicht erfasst«, gemeint war der Kaufhauskonzern.
Am 10. Juli 1980 schnitt »Mitarbeiter 35« auf Kanal 13 weitere Lüthje-Neuigkeiten mit. Laut Aufzeichnung hat der Generalbevollmächtigte einen Herrn K. in der Leitung, der 50 000 Mark als Spende überweisen möchte. In der Rubrik »Zusammengefasster Inhalt« steht, was Lüthje dem Gönner empfiehlt: »Er solle das Geld nicht direkt der CDU auf das Konto bei der Deutschen Bank überweisen, da es sonst im Rechenschaftsbericht ausgewiesen werden müsste.« Stattdessen solle der Betrag an die »Vereinigung Politik und Wirtschaft in der Bundesrepublik« gehen. Darüber sei »mit der Person Kiep« auch schon gesprochen worden. Oder: Am 28. August 1980 teilt Lüthje fernmündlich dem Mitarbeiter W. bei der Adenauer-Stiftung mit, eine »Wahlspende von 20 000 Mark von der sozialpolitischen Arbeitsgemeinschaft« sei eingetroffen. Einem anderen Telefonat mit dem Bundestagsabgeordneten Johannes Gerster verdankt die Stasi den Hinweis, die »Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie« werde der Rheinland-Pfalz-CDU »im kommenden Zeitraum Gelder« zur Verfügung stellen. Höhe der Wahlkampfspenden? »Wurde nicht bekannt«.
Uwe Lüthje war Kohls Mann für Sekundärtugenden: fleißig und effizient. Nach Selbsteinschätzung ist er einer der »verdientesten CDU-Mitarbeiter«, und Verdienst ist ein treffendes Wort im Lüthje-Komplex. Die graue Eminenz ging äußerst vorsichtig zu Werke. Allein das elektrisierte die Stasi. Laut Dokument 347 unterbricht Lüthje mal ein Gespräch mit dem aus jedem besseren Mafia-Film bekannten Satz: »Bitte nicht diese Dinge am Telefon.« Thema ist »eine Wahlkampfspende in Höhe von 100 000 DM« der »August-Thyssen-Hütte AG, Duisburg, Telefon 540-1«. Per 4. September 1976 werde sie von der CDU »über die Staatsbürgerliche Vereinigung« (SV) erwartet. Zur Erinnerung: Die SV war die produktivste Geldwaschanlage der Partei. Rückfrageder Sekretärin: »… nicht am Telefon?«, Lüthjes gequälte Antwort folgt sofort: »Nein, das jetzt nicht, das halten Sie fest – schriftlich.« Verabredete sich Lüthje, etwa am 30. Mai 1978, mit SV-Chef Gustav Stein, war die Stasi auch sofort im Bilde. Zu ihren leichteren Übungen zählte die Ermittlung, wann, wo, wem Lüthje die CDU-Etats vortrug.
»Streng vertraulich« listet Information G/3378/19/06/80 »umfangreiche Aktivitäten« auf, zu lesen als Exkurs über den gewöhnlichen Kapitalismus. Gegenwärtig sei die CDU bestrebt, »über Kontakte zu BRD-Unternehmen größere finanzielle Zuwendungen für ihren
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