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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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auf Band, dass er mit dem Landesschatzmeister Hessens (Prinz Wittgenstein, d. Red.) just über das »Wahlkampf-budget der CDU« verhandelt habe. Dokument 1399/76 reportiert über ein Treffen in Kronberg, zu dem von Kiep die Herren Lüthje und »Witkenstein« (gemeint ist wohl wieder Prinz Wittgenstein) erwartet wurden – heute in Zusammenhang mit den schwarzen Kassen der CDU einschlägig bekannt.
    Auf diesem Weg erfuhr die Stasi, »dass am 21. April 1977 ein Herr Kohl, vermutlich der CDU-Politiker Helmut Kohl«, bei ihm zu Besuch gewesen sei. Und dass besagter Kohl beabsichtige, »heute gleichfalls bei Dr. Albrecht« zu erscheinen. Und sie registrierten, dass »ein Herr Kanther um einen Wahlkampfauftritt gebeten hatte«.
    Blitzdepeschen vermeldeten akribisch die Reiseaktivitäten des Weltmanns: »Kiep ist am Samstag, dem 27.11.76 um 16.45 Uhr von einem Besuch eines Herrn Agnelli … vom Fiatkonzern aus Rom zurückgekehrt.« Grund des Treffs? »Wurde uns nicht bekannt.« Dann Hinweise auf Termine in London, Brüssel, Brasilien, Zürich; nicht umsonst firmiert der Kosmopolit in Stasi-Papieren auch als »Tourist II«. Unter Datum 10. Mai 77 wird gemutmaßt, er fahre demnächst »mit hoher Wahrscheinlichkeit« in die Sowjetunion: »Bezeichnet sie als Moskaureise«, wird muffig notiert. Er bemühe sich bei Botschafter Falin um einen Termin. Kaum ist er zurück, verfügt die Stasi schon über ein 50-seitiges Protokoll.
    Was die Supernasen ermittelten, interessierte im Mielke-Imperiumzwölf verschiedene Dienststellen. Sie konnten mit Genugtuung lesen, dass man zum Beispiel im Ostberliner Hotel Metropol Kieps Hotelzimmer verwanzte. Vom Lauschangriff in Erfurt hielten sie fest: »Kiep schätzt in diesem Zusammenhang Oskar Lafontaine als ›Spezi von Herrn Honecker‹ ein.« Ein andermal bedauert »Oberst Wilke«: »Der Einsatz der operativen Technik in den Unterkunftobjekten erbrachte keine operativ-auswertbaren Ergebnisse.« Denn der clevere Besucher rechnete immer mit dem Schlimmsten. Folglich narrte Kiep seine Kontrolleure, lehnte »wegen angeblicher Lärmbelästigung« zugewiesene Zimmer ab. Das MfS filzte seine Hotelräume ungeniert, brach herumliegende Post auf: »Brief wurde durch Abteilung M geöffnet.« Ein Aktenvermerk vom April 1986 hält fest, »Genosse B.« vom Hotel »Metropol« habe »drei Briefe, 2 Briefe mit Inhalt, 1 Brief-umschlag leer, vier Bilder und ein Schreiben …« übergeben. Wie in schlechten Spionagefilmen beschäftigten sich die Beschatter mit Nichtigkeiten, gaben Scheininformationen als T opsecret-News aus: Wichtigtuerisch notierten sie Kieps Auto-marken, führten minutengenaue Observationsprotokolle: Ein Hauptmann Heidrich registriert im Palasthotel um 21.14 Uhr: Kiep, Fahndungsnummer 534639, »holt Zimmerschlüssel und begibt sich auf sein Zimmer«. Auch vergaß er nicht, den Übernachtungspreis zu recherchieren: »140 Mark«. Oder: Palast hotel, Zimmer 6078: »00.04 Uhr, kein Licht mehr.« Ein Tagesbericht endet mit dem Hinweis, dass Kiep seine »Nachtruhe einnahm«. Handschriftlich fügte jemand hinzu: »Wie schmeckt das?« Kieps Telefonrechnung mit 101 Einheiten über 20,20 Mark liegt als Kopie bei.
    Zwei Seiten verwenden die Obristen »Häher« und »Hähnel« darauf, eine »Kontaktaufnahme der Buffetkraft der Distel« zu Kiep darzustellen. Er habe ihr ein Autogramm auf den Kassenblockgeschrieben. Fazit: Mit dem »Distel«-Direktor »wurden Maßnahmen besprochen, um zukünftig derartige Vorkommnisse zu verhindern«. Bei ihrer Faktenhuberei listet die Stasi von einem Kiep-Empfang im Hotel Merkur Leipzig, Raum 7613, die »Bestückung mit Getränken« auf: »15 Flaschen Bier, 3 Karaffen Juice. Weitere Bestellungen ergingen nicht.« Bei anderer Gelegenheit macht sich ein Verfolger in Güstrow mit dem Befund wichtig, Kiep sei bestrebt gewesen, »in der Öffentlichkeit erkannt zu werden«. Erleichtert heißt es an anderer Stelle von »Oberstleutnant Rosse«: »Der Aufenthalt löste keine Massenwirksamkeit aus.«
    Im Rahmen der geradezu hybriden Überwachung nahmen Agenten sogar Leserbriefe zu den Akten. Etwa Kieps Richtigstellung in der »Zeit«, er sei nicht »im roten«, sondern im »dunkelblauen Porsche« vorgefahren. Von der »Bunten Illustrierten« wurde der Artikel »Warum hat die CDU Kiep nicht lieb?« abgeheftet. Aus dem »Tagesspiegel« ist der Zweispalter »Anklage gegen CDU-Schatzmeister Kiep und seinen Vertreter erhoben« (vom 25. April 1989) archiviert. Es geht um den Vorwurf der

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