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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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der Welt wussten und nie weiter als bis Virar gekommen waren, das die Endstation der Western-Railway-Lokallinie war.
    Angenommen, die Jungspunde, die vor dem amerikanischen Konsulat anstanden, hätten erfahren, dass er in einem Auntie-Lokal arbeitete? Sie hätten höchstwahrscheinlich gefragt, was das war, da sie in Vier- oder Fünfzimmerwohnungen lebten und ihre Eltern nur Chivas Regal oder Black Label tranken und keine Ahnung hatten, was Tharra war. Und kann man sich ihre Gesichter vorstellen, wenn sie erfahren hätten, dass er eine Burka getragen und Schwarzgebrannten in Autoschläuchen geschmuggelt und die Kotze der Gäste aufgewischt hatte? Mochte er als Musiker noch so gut sein, wirklich gut, was hätte das für sie oder die Leute vom Konsulat, die ihn befragten, für einen Unterschied gemacht? Wenn die anderen in der Warteschlange ihm nicht ins Gesicht gesagt hatten, dass er eine Witzfigur war, und nicht über seine Angebereien gelacht hatten, so lag das nur an ihrer guten Kinderstube, tatsächlich aber war er so bedeutungslos, dass er unmöglich glauben konnte, irgendeinen bleibenden Eindruck in ihrem Bewusstsein oder gar ihrem Gedächtnis hinterlassen zu haben. Er war ein Niemand, genau das war er.
    Vielleicht ging er in ihren Augen nicht einmal als Mitmensch durch. Oder vielleicht war es auch umgekehrt, und er schaffte es nicht, sich als einen solchen zu begreifen. Das Blut, das an dem Morgen vor dem Konsulat seine Adern so kraftvoll durchpulst hatte, war geronnen, und der Traum von einem neuen Leben in einem neuen Land war verschwunden wie der Schaum in ihrem winzigen Badezimmer, wenn Pieta Natron auf den Fußboden streute und dann so energisch schrubbte, dass die Borsten brachen. Es war ihm unbegreiflich, wie sein Leben im Lauf weniger belangloser Vormittagsstunden jeglichen Sinn und seine Zukunft Kurs und Orientierung verloren hatten.
    Der Amerikanische Traum war Eddie wie Sand zwischen den Fingern zerronnen, und er war sicher, sich von diesem entsetzlichen Schlag nie wieder erholen zu können. Es war schwierig, sich noch für irgendetwas zu interessieren. Er fing an, die Proben zu schwänzen, die er bislang so verdammt ernst genommen hatte, dass er jedes Bandmitglied, das zu spät aufkreuzte, selbst Belle, mit einer Geldstrafe belegte. Jetzt reagierte er nicht einmal mehr auf Angebote zu Auftritten, er stellte sich einfach tot. Er war lustlos und reizbar und kam morgens nicht aus dem Bett – selbst dann nicht, wenn seine Großmutter mit Absicht eine Jim-Reeves-LP auflegte, die es früher niemals verfehlt hatte, Eddie in Rage zu bringen. „Warum, Eddie, warum?“, fragte Maria-Augusta ihren Enkel dann theatralisch. „Warum kann ich mir in meinem eigenen Haus nicht meinen Lieblingssänger anhören?“, worauf er aufsprang, den Ton leiser drehte, den Plattenspieler ausschaltete und sagte: „Weil es hier nur einen geben kann: Jim Mief oder mich! Du hast die Wahl!“ Worauf sie unweigerlich erwiderte: „Dann Jim“, und vorgab, die Wohnung verlassen zu wollen, und er auf die Knie fiel und gelobte, sich fortan nur noch Jim-Mief-Songs anzuhören. Doch nun bestand Eddies einzige Reaktion nur in einem mürrischen Knurren. Tagelang rasierte er sich nicht. Er nahm zu, und seine Haut wurde fahl und teigig. Wenn er weiterhin bei Auntie zum Dienst antrat, dann nur, weil die Alternative undenkbar war: zu Hause herumzusitzen und die vorwurfsvollen Blicke seiner Mutter zu erdulden.
    Der einzige Mensch, der mit seiner üblen Laune klarzukommen schien, war Belle. Sie war geduldig und achtete nicht groß auf seine Trotzanfälle. Wenn ihre Eltern im Nebenzimmer saßen, flüsterte sie: „ Alphonsos – zu jeder Jahreszeit die besten Mangos der Welt!“, und zog ihr T-Shirt hoch, ließ ihre Brüste herauswippen und rieb sie an seinem Gesicht, während er auf einem Stuhl saß. Es gab eine Zeit, in der er so getan hätte, als sei er entsetzt und doch nach ihnen geschnappt hätte. Jetzt wandte er lediglich den Kopf ab.
    â€žKommst du mit mir nach England? Dort findest du Arbeit, und ruck, zuck, kannst du weiter nach Amerika fliegen.“
    â€žDu machst Witze.“
    â€žMach ich nicht. Ich ertrag’s nicht, dich so down zu sehen.“
    â€žIst es dein Ernst?“
    â€žJa.“
    â€žWann?“
    â€žBesorg dir ein Visum, und wir verschwinden.“
    â€žEin Visum? Wie kommt es, dass du keines

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