Die Statisten - Roman
wieder an, auf dem Flügel der McIntyres zu üben und neue Songs zu komponieren. Mrs McIntyre bemühte sich nicht mehr um Höflichkeit. Sie bot ihm kein Glas Wasser und keine Tasse Tee an, auch wenn sie selbst etwas trank. Eddie tat so, als ob er die lautlosen, aber tödlichen Gefechtsköpfe, die sie abfeuerte, während sie kochte, ihr Dienstmädchen bei der Arbeit beaufsichtigte, oder die sie einfach so durch die Wand ihres Schlafzimmers schoss, nicht bemerkte. Er wusste nicht, wo er sonst hätte hingehen sollen, und Belle schien es nicht zu stören, dass er den Tag in ihrem Zimmer verbrachte. Jeden Morgen packte GroÃmutter ihm heimlich ein paar Sandwiches ein und steckte sie in die Umhängetasche, die Eddie neuerdings mit sich trug.
Als die Temperatur des nicht erklärten Kalten Krieges zwischen Daphne McIntyre und Eddie von frostig zu arktisch überging, fragte Eddie Belle endlich: âWas ist mit deiner Mutter los, warum ist sie so zickig?â
âMeine Mutter hat ein einziges Problem. Dich. Vor ein paar Wochen hat sie mich mit diesem vielsagenden Blick, den sie immer aufsetzt, wenn du implizit der Gesprächsgegenstand bist, gefragt, was ich eigentlich mit meinem Gehalt mache. Und ich hab ihr gesagt, das würde sie einen feuchten Dreck angehen. Das ist bei ihr nicht besonders gut angekommen, und jetzt ist sie felsenfest davon überzeugt, dass ich dich aushalte.â
âTust du ja auch.â
âDas geht dich ebenfalls einen feuchten Dreck an.â Selbst nach all den Jahren wurde Eddie immer noch nicht aus Belle schlau. Sie gab ihm jeden Monat Geld, auf was wollte sie hinaus? Wollte sie nicht, dass ihm das bewusst war?
âSie ist auÃerdem davon überzeugt, dass du Drogen nimmst und dass ich deine Sucht finanziere.â
âDu hast ihr das hoffentlich ausgeredet?â
âWarum? Sie wäre nur enttäuscht, wenn sich herausstellte, dass ein ,Indiâ-Junge wie du kein verkommener Mistkerl ist.â
âUnd wie ich mich dabei fühle, zählt überhaupt nicht?â
âKomm her, Jungeâ Belle schaltete auf ihre Schlafzimmerstimme um und lockte ihn mit dem Zeigefinger zu sich. âLass mich mal nachfühlen, wie du dich fühlst.â
âDir ist vollkommen egal, wie die Leute mich behandeln.â
âStimmt. Wichtig ist, dass wir uns beide nicht egal sind, was auch immer andere Leute meinen oder nicht meinen. Hab ich dir schon erzählt, dass meine Mama die Polizei auf dich ansetzen will?â
âDie Polizei? Warum?â
âSie befürchtet, dass ein gewisser nichtsnutziger goanischer Katholenjunge mit ihrer Tochter durchbrennen könnte.â
âDu hast ,arbeitslosâ vergessen, gleich nach ânichtsnutzigâ.â
âStimmt. Trage ich hiermit nach.â
âVielleicht sollte ich das wirklich tun, Belle.â
âSchieb es nicht auf die lange Bank, Baby. Mama und Papa arbeiten, nicht gerade subtil, darauf hin, mich deinen Klauen zu entreiÃen und irgendeinem x-beliebigen WeiÃen zu übergeben, der mich ruhig jeden Abend windelweich prügeln kann, solange er mit mir einen Stall bleichgesichtiger Gören produziert.â
Daphne McIntyre rief nicht die Polizei, um Eddie loszuwerden. Sie wählte die nächstbeste Strategie. Als Eddie eines Tages an der Tür klingelte und eintrat, stellte er fest, dass sie den Flügel auseinandergenommen und Klaviatur, Pedale und Mechanik säuberlich auf dem FuÃboden arrangiert hatte.
âWas ist passiert?â, fragte Eddie.
âEs wundert mich, dass du das nicht selbst bemerkt hast.â
âWas bemerkt?â
âDer Steinway ist völlig verstimmt und hat mich allmählich zum Wahnsinn getrieben.â
Verstimmt? Wovon redete sie da? Eddie war eher geneigt, Mr McIntyre beizupflichten: Der Steinway war wie ein edler Scotch. Je älter er wurde, desto besser klang er.
âEs tut mir leid. Deine Klavierzeiten sind vorüber. Leb wohl, Eddie.â
Eddie überhörte geflissentlich den Wink mit dem Zaunpfahl. âDann leg ich mich eben hinâ, sagte er und spazierte in Belles Zimmer. âWas ist mit dem Bett passiert?â
âEs ist eingepackt. Belle wird es in London brauchen. Sie wird ebenfalls verschifft.â
An manchen Tagen, wenn er Ursache und Wirkung durcheinanderbrachte und depressiv und bockig war, neigte Eddie dazu, seine Rückschläge, das Scheitern seines groÃen
Weitere Kostenlose Bücher