Die Statisten - Roman
der Erkenntnis bringen würde, dass es keinen anderen Weg gab, das Mädchen von nebenan oder vom nächsten Kontinent rumzukriegen, als seinen Stil nachzuahmen.
Für die Rajkamal Kalamandir Studios hatte sich Eddie entschieden, weil V. Shantaram heute hier anfing, seinen neuen Film zu drehen. Jener V. Shantaram, der Mitbegründer der legendären Prabhat Studios, die einige der bedeutendsten Filme der DreiÃigerjahre, wie âTukaramâ und âAadmiâ, produziert hatten. Bei Rajkamal, der Filmgesellschaft, mit der er sich schlieÃlich selbstständig machte, war sein gröÃter Erfolg âJhanak Jhanak Payal Bajeâ gewesen. Mit Sandhya, V. Shantarams Geliebten, Muse und späteren Ehefrau, in der weiblichen Hauptrolle wurde â JJPB â einer der ersten indischen Technicolor-Filme überhaupt und lief in keinem geringeren Lichtspieltheater als dem Metro fünfzig Wochen vor ausverkauftem Haus. Das âVâ vor seinem Namen war tatsächlich der Anfangsbuchstabe seines Nachnamens Vankudre. Doch eine seiner ersten medienwirksamen MaÃnahmen hatte darin bestanden, âShantaramâ zu seinem Vor- und Nachnamen zu machen. Dennoch wäre es unvorstellbar, geradezu blasphemisch gewesen, vom groÃen alten Mann lediglich als von âShantaramâ zu sprechen, ohne dem Namen das ehrerbietige âBapuâ anzuhängen.
Es gab eine Zeit, da Eddie der Meinung war, V. Shantaram sei für einige der schauderhaftesten Filme der Fünfziger und Sechziger verantwortlich, wie etwa âStreeâ und âNavrangâ, doch neuerdings hatte er seine diesbezügliche Haltung geändert, und das mit gutem Grund. Um jeden erfolgreichen Produzenten und Regisseur kreisten zahllose Anekdoten. V. Shantaram war schon so lange im Geschäft, dass selbst seine Kabelträger, Hilfsbeleuchter und Security-Leute wenigstens ein bis zwei Dutzend unvergessliche Geschichten über ihn auf Lager hatten.
AuÃer seinem unbestreitbaren Talent war seine Sparsamkeit, wenn es um die Bezahlung von Schauspielern, Kameraleuten, Music Directors und anderen Mitarbeitern ging, längst fester Bestandteil der Hindi-Film-Legenden. Doch die Anekdote, die allen Schauspielaspiranten am meisten zu Herzen ging, handelte von Jeetendra, dem Tanzstar mit dem Hüfte wackelnden, kreisenden und rollenden Hintern und Kugellagern anstelle der FüÃe, einem Schauspieler von himmelschreiender MittelmäÃigkeit, dessen Filme von Rechts wegen schon am allerersten Tag gefloppt haben müssten, aber unweigerlich die Kinokassen sprengten. Die apokryphe Geschichte lautete, dass, als ein gewisser Ravi Kapoor einmal die Rajkamal Studios aufsuchte, um Kostümschmuck abzuliefern, V. Shantaram auf ihn aufmerksam wurde und ihm eine aberwitzige Frage stellte: âWas hieltest du davon, deinen Job als Lieferjunge hinzuschmeiÃen und stattdessen Schauspieler zu werden?â Ravi Kapoor änderte seinen Namen in Jeetendra. Der Rest ist Geschichte. Seit jenem Tag wartete jeder Möchtegern-Schauspieler vor den Rajkamal Studios darauf, dass V. Shantaram in seinem Wagen vorfuhr, ihn bemerkte, jene berühmte Frage wiederholte und ihm einen neuen Namen verlieh.
Es gab ein ungeschriebenes Gesetz, das jeder, der hoffnungsvoll vor den Filmstudios herumlungerte, befolgte. Manche Dinge tat man einfach nicht. Kapiert? Setz das in GroÃbuchstaben. Unterstreiche die Worte. Ãtze sie in deine Seele. Schreib sie in deinen Gen-Code ein. Ab und an kam es vor, dass einer von Eddies angehenden Kollegen, mitunter sogar ein Freund, ausstieg, verschwand, sich in Luft auflöste. Niemand bemerkte dessen Abwesenheit. Beziehungsweise jeder tat so, und jeder wusste, wohin er gegangen war, aber unter ihnen galt die unausgesprochene Ãbereinkunft, dass derlei Ereignisse nicht erwähnt oder zur Kenntnis genommen wurden. Ãber Misserfolg zu reden oder auch nur daran zu denken, kam einem Verbrechen gleich. Stattdessen erzählte und käute man unaufhörlich die Erfolgsstorys von Megastars wie Jeetendra wieder, insbesondere aber jener, die aus dem Schattenreich zurückgekehrt waren, wie Amitabh Bachchan, der so verzweifelt gewesen war, dass er die Rolle des Schurken in âParwanaâ angenommen und dann mit âZanjeerâ das Comeback des Jahrhunderts hingelegt hatte.
Die Liste der Dinge, die man nicht tat, war nicht lang, aber das wichtigste Verbot betraf den Namen eines bestimmten
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