Die Statisten - Roman
Traums, seiner Berufung, seines Ehrgeizes, seiner Zukunft, ja selbst das steinerne Schweigen seiner Mutter Belle zuzuschreiben. âWerd endlich erwachsen!â, hatte sie zu ihm gesagt.
Was zum Teufel sollte das heiÃen? Dass er ein Kindskopf war? Dass Inspector Gupte und sein Kurzurlaub in der Polizeizelle oder sein Stress mit seiner Mutter nur infantile Einbildungen waren? Absolut jeder, angefangen bei seiner Mutter und Pieta, schien kluge Ratschläge für ihn parat zu haben. Unerbetene natürlich. Und unentgeltliche. Werd endlich erwachsen. Setz deinen Arsch in Bewegung. Besorg dir einen Job. Fang an zu leben. Klare Sache, ich zieh einfach los und raub ein paar Banken aus, entführ einige GroÃindustrielle wie Tata oder Birla, sacke ein Riesenlösegeld ein und setz mich zur Ruhe.
Allerdings wurde Eddie auch klar, dass ihm allmählich die Optionen ausgingen. Er war bei sich zu Hause nicht willkommen. Und die Tür zur Wohnung der McIntyres war ihm jetzt auch verschlossen. Er konnte nirgendwohin; er war pleite und langweilte sich; er langweilte sich so sehr, dass er glatt auf eine der Umzugskisten im McIntyreschen Wohnzimmer hätte klettern und sich am Haupt-Deckenbalken aufhängen können, nur um mal was anderes zu erleben und zu spüren, dass er überhaupt noch am Leben war. Eines Morgens stand er auf, warf einen Blick auf sein Diplom von Krishna Kumars Schauspiel-Akademie und entschied, dass es jetzt reichte. Er würde testen, wie viel sein Schauspiellehrer wirklich taugte. Er schloss die Augen und schleuderte der Welt und dem Hindi-Kino seine Herausforderung entgegen. Sie mochten noch nicht für ihn bereit sein, ja, sie mochten noch nie etwas von ihm gehört haben, aber er war willens, sich ihnen zu stellen.
Eddie fing wieder an, um fünf Uhr früh aufzustehen. Er ging in die Sabha-Turnhalle und führte die Yoga-Asanas, Kniebeugen und traditionellen Ãbungen am malkhamb durch, und schwang auf dem Sandplatz die schweren Holzkeulen rhythmisch um Kopf und Schultern, so wie er es als Junge von Lele Guruji gelernt hatte. Er war überzeugt, dass ein Schauspieler nicht nur topfit sein, sondern auch einige besondere, wenn nicht einzigartige Fertigkeiten besitzen musste. Aus diesem Grund lernte er jetzt etwas Neues, oder besser gesagt, etwas Uraltes und Vergessenes. Es war kalaripayattu , eine rein indische Kampfkunst aus Kerala, die mittlerweile nur noch von einigen wenigen Experten praktiziert wurde.
Um halb sieben hatte er gefrühstückt und fünf Minuten damit zugebracht, sich zu überlegen, was er an diesem Tag tragen würde. Seine Garderobe war begrenzt; die Mode wechselte, und ein angehender Schauspieler brauchte weit mehr schicke Klamotten als ein anerkannter Star, da er sich von den Hunderten anderer abheben musste, die wie er Klinken putzten. Sie waren seine neuen Freunde â und seine Konkurrenz. Manche von ihnen kamen aus weit bessergestellten Familien, andere hatten Teilzeitjobs, manche kamen dadurch über die Runden, dass sie begüterte Damen beschliefen oder Männer erpressten, die Affären mit ihnen gehabt hatten. Und dann gab es auch einige, die genauso arm wie Eddie waren, wenn nicht noch ärmer, und ebenso besessen waren wie er.
Eddie hatte sich ein paar neue Klamotten gekauft. Belle hatte nicht nur das meiste davon bezahlt, sondern Eddie war diesmal so vernünftig gewesen, sich bei der Auswahl von ihr beraten zu lassen. Das einzige Problem war, dass Eddie in seinem gewählten Beruf ohne Weiteres täglich drei neue elegante Anzüge, ebenso viele Paar Schuhe und entsprechende Accessoires hätte brauchen können. Aber indem er mit seiner Garderobe jonglierte und jeweils andere Hosen, Hemden und Halstücher miteinander kombinierte, erweckte er den Eindruck, er verfüge über einen unerschöpflichen Vorrat an modischsten Kleidungsstücken, und schaffte es, fast jeden Tag todschick auszusehen.
Vormittags galt es, die Studios abzuklappern. Eddie belagerte zusammen mit anderen Schauspielaspiranten RK Films, Filmalaya, Navketan, Mehboob und sonstige Produktionsfirmen. Häufig war auch dieser Ravan Pawar dabei. Was trieb der hier eigentlich, warum hockte er nicht in seinem Taxi? Bildete er sich wirklich ein, er könnte es zum Film schaffen? Da konnte er lange drauf warten!
Mit einer ganzen Reihe Hindi-Filmstars stand Eddie mittlerweile schon auf Du und Du â oder zumindest Du und Sie. Was glauben Sie wohl,
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