Die Statisten - Roman
dunkler werdenden Horizonts. Eddie und Belle standen auf dem Balkon der Lungenstation wie zwei Menschen, die nicht mehr wussten, was sie in irgendeinem fernen anderen Leben zusammengeführt hatte. Es hatte bereits vor Stunden aufgehört zu regnen, dennoch klangen die Verkehrsgeräusche immer noch gedämpft herüber. In der Station waren die Lampen eingeschaltet worden, aber sie wirkten blass gegenüber dem Zwielicht von drauÃen.
âNein.â
âWozu hast du mich dann holen lassen?â
âWeil du das Schlimmste von mir hören solltest und nicht von irgendjemand anderem.â
âAber wenn deine Mutter es nicht herausgefunden hätte, dann hättest du es mir auch nicht gesagt, habe ich recht?â
Eddie versuchte, ihre Hand in die seine zu nehmen, aber Belle zuckte zurück, als halte er ihr eine Handvoll Maden hin. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Belle kommen zu lassen. Wie sollte er diese Frage nur beantworten? Verdammt sollte Sapna-ji sein, dass sie ihn in eine solche Situation gebracht hatte! Jetzt würde Belle immer etwas in der Hand haben, das sie ihm um die Ohren hauen konnte! Zum ersten Mal musste Eddie zugeben, sich überhaupt nicht verändert zu haben. Er war nach wie vor nicht bereit, die Verantwortung für seine Situation zu übernehmen. Stattdessen redete er sich weiterhin ein, es könnte ein âimmerâ und eine Zukunft für sie beide geben. Er erkannte, dass dieses Ding namens Wahrheit bisweilen wie das Rad eines Wagens war, das sich im Schlamm festgefahren hatte. Je mehr Gas man gab, desto tiefer wurde die Furche. Weder Belle noch er würden da je wieder herauskommen.
âJaâ, antwortete er widerwillig.
âWer weiÃ, vielleicht wären wir alle ohne die Wahrheit besser dran.â Es war seltsam, so etwas ausgerechnet von Belle zu hören, der nichts jemals so wichtig gewesen war, wie die Wahrheit zu sagen. âGott allein weiÃ, wie lang du mich angelogen, mit wie vielen Frauen du geschlafen hast!â
âDu hast zwar keinen Grund, mir zu glauben, aber es hat keine andere gegeben.â
âIch glaube, das Beste ist, wenn wir uns nicht mehr sehen.â
âDas weià ich.â
âWas willst du damit sagen?â
âDass du mich nie wiedersehen wirst.â
âWolltest du mir deswegen die Wahrheit sagen? Damit ich dich nie wiedersehen will und du mich los bist?â
Bei jeder anderen Gelegenheit hätten Belles logische Volten und Winkelzüge Eddie, wie schon so oft, verblüfft. Heute jedoch spielte es keine Rolle, welche Zusammenhänge sie herstellte.
âIch liebe dich, Belle.â
Auf dem Balkon war es inzwischen stockfinster, aber Eddie bemerkte trotzdem die Verletztheit in ihren Augen. Er hätte sich die Eingeweide herausreiÃen mögen, nur um nicht den Ausdruck des Schmerzes sehen zu müssen, den er ihr bereitet hatte. Wenn es hart auf hart kam, war es stets Belle, die standhielt und nicht die Nerven verlor. Jetzt aber sah sie vollkommen hilflos aus, brach regelrecht vor seinen Augen auseinander.
âWarum dann, Eddie, warum?â
âWas würde es nützen, es dir zu erklären?â
âWie kann man jemandem weh tun wollen, den man liebt?â
âWollte ich nicht. Ich wollte nur Schauspieler werden. Ich hatte alles versucht und war gescheitert. Ich war vollkommen verzweifelt und bereit, alles, absolut alles zu unternehmen, um Erfolg zu haben.â
âLiebst du sie, diese Sapna-ji, mit der du geschlafen hast?â
Eddie fand schon die bloÃe Vorstellung abstoÃend. âNein. Kein bisschen.â
âUnd trotzdem hast du mit ihr geschlafen?â, fragte Belle erstaunt. âWeil du dir so sehr wünschtest, Schauspieler zu werden?â
âIch war ein Idiot. Ich hätte wissen müssen, dass man nicht dadurch Schauspieler wird, indem man mit jemandem schläft.â
âEddie?â
âJa?â
âNichts.â
âSag es. Wie weh es auch tut, es wird nichts im Vergleich zu dem sein, was ich getan habe.â
âWillst du mich so sehr, wie du Schauspieler werden willst?â
âWillst du wissen, ob mir mehr daran liegt, Schauspieler zu werden, als an dir?â
âJa, aber das ist eine unfaire Frage.â
Eddie hatte das Gefühl, sich in eine dunkle Ecke zurückgezogen zu haben, aus der er keinen Weg herausfand. âWenn du mir diese Frage vor ein paar Wochen gestellt hättest,
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