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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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eine Weile, aber ich fand einen Weg. Wir hatten schon mindestens sechs oder sieben Dutzend Ideen für einen Film durchgesprochen, aber ich spielte weiter auf Zeit, beharrte darauf, dass keine der Storys wirklich um die Heldin kreiste. Ich erklärte, einen bahnbrechenden Film drehen zu wollen, der die Leinwand regelrecht in Brand setzen würde, dass die Qualität keinesfalls leiden dürfe und Geld keine Rolle spielen würde. Ich setzte mich sogar mit drei Hollywood-Regisseuren in Verbindung. Als ich sie so weit in Sicherheit gewiegt hatte, dass sie mir zu vertrauen begann, fing ich an, die Spitze der Kondome mit einer Nadel anzustechen.
    Sie war jung und gesund. Binnen acht, neun Wochen setzte ihre Periode aus.
    â€žDu Scheißkerl, du Bastard! Du hast mich geschwängert!“ Jetzt kommt’s, dachte ich, sie hat das mit dem Loch im Kondom herausgefunden, aber ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. „Ich weiß nicht, wie du das fertiggebracht hast, aber du hast mich geschwängert, du verdammter Mistkerl!“
    Ich ließ sie schreien und wüten. Ich stand wortlos da, bis sie all ihre Galle und Wut ausgewürgt hatte. Als sie fertig war, setzte ich mich hin und sprach nur zwei Sätze: „Ich habe jedes Mal ein Kondom getragen. Ich wollte es nicht, aber du hast darauf bestanden.“
    â€žUnd was hat es genützt? Ich bin schwanger!“ Sie war noch immer in Kampfstimmung.
    â€žDas ist schlicht unmöglich, bei all den Sicherheitsvorkehrungen, die wir getroffen haben, einfach unmöglich.“
    â€žIst es nicht!“ Sie stampfte mit dem Fuß auf. „Ich hab einen verdammten Fötus im Leib!“
    â€žVielleicht ist dies ein Zeichen des Allmächtigen. Vielleicht sagt er uns damit etwas Wichtiges. Bei uns Muslimen ist Empfängnisverhütung verboten. Allah will, dass wir die Menschheit mehren und nicht mindern.“
    Sie sah mich an, als sei ich ein Wesen aus einer anderen Welt, das in einer unbekannten Sprache zu ihr redete, und flüsterte dann etwas. Ich kann nicht genau sagen, warum, aber ich war plötzlich wachsam und auf der Hut.
    â€žVerzeihung. Das habe ich eben nicht verstanden.“
    â€žIch danke meinen Sternen dafür, dass ich keine Muslimin bin und keine absurden Regeln und Vorschriften befolgen muss! Ich werde Schauspielerin werden, und ich werde nicht zulassen, dass irgendetwas zwischen mich und meine Karriere tritt. Ich habe übermorgen einen Termin für eine Ausschabung.“
    Die arme Frau hatte keine Ahnung, mit wem sie es zu tun hatte. In mir war nur der Gedanke, mir würde zu gegebener Zeit ein zweiter Sohn, wohlgenährt und unversehrt, geboren werden. Ich brauchte keinerlei Zwang anzuwenden; ich ließ nur beiläufig die Bemerkung fallen, dass – sollte meinem Sohn (ich war mir sicher, dass es ein Sohn werden würde) etwas zustoßen – dasselbe Schicksal auch sie ereilen würde.
    Ich bekam meinen Willen. Ich hatte gewonnen.
    Ich war damals viel jünger, und mir war nicht klar, dass eine Niederlage zuweilen besser ist als ein Sieg.
    Aber das ist eine andere Geschichte, und ich werde sie dir zu einer anderen Gelegenheit erzählen.
    Khuda hafiz

    Das Gedächtnis, da war Ravan sich sicher, war der unzuverlässigste Archivar überhaupt. Bashir Akhtar hatte ihn terrorisiert, ihn misshandelt und verprügelt, bis sein Gesicht und sein Körper eine einzige zerbrochene und blutige Masse waren und selbst seine eigene Mutter ihn nicht erkennen konnte. Seit seiner allerersten, vorzeitig abgebrochenen Fahrt nach Panvel wusste Ravan, dass Drei Komma Eins sein Verhängnis war und er ihn nie wieder loswerden würde. Und dennoch ähnelte seine Erinnerung an Bashir-bhai schon wenige Monate, nachdem der Gangster von seinen ehemaligen Leutnants verraten worden und in den Untergrund gegangen war, einem Farbfoto, das zu lange im Sonnenlicht gelegen hatte: Man konnte kaum noch ausmachen, wer wer war, und alle Details verblassten.
    Die ersten drei Briefe waren kurz gewesen und in rascher Folge angekommen, und dann: Schweigen. Die Hoffnung und deren Cousine, die Vergesslichkeit, hatten eingesetzt, und Bashirbhai verschwand allmählich mehr und mehr aus dem Gedächtnis. Doch jetzt war der vierte Brief eingetroffen. Er war nicht nur länger, sondern auch sehr persönlich und enthielt durchaus intime Details. Ravan hätte ein Gefühl von unvergleichlicher Macht verspüren sollen

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