Die Statisten - Roman
Komma Eins geworden!
Aber er kam nicht los davon, trotz aller gegenteiliger Beteuerungen tat er weiterhin so, als seien er und Pieta ein Paar. Ravan wurde zwischen zwei widersprüchlichen Impulsen hin- und hergerissen, die beide von der Tatsache herrührten, dass er in Pietas Welt schlichtweg nicht vorkam. Doch was, nur mal rein theoretisch, wenn er Katholik gewesen wäre? Hätte sie ihn dann mit anderen Augen betrachtet? War es möglich, dass sie in dem Fall ihren Standpunkt neu überdacht hätte? Verdammt, er war unmöglich! Er würde sich weiter etwas vormachen, bewusst oder unbewusst falsch abbiegen, Umwege machen, jede noch so finstere Seitengasse entlangtrotten, vielleicht sogar mal querfeldein laufen und früher oder später doch wieder bei seinen Hirngespinsten über Pieta landen. Wann würde er endlich der Wahrheit ins Auge sehen? Pieta würde sich nie für ihn interessieren. Niemals. Wenn er das berühmte neue Kapitel aufschlagen und von vorn anfangen wollte, dann musste er die Vergangenheit restlos und total ausmerzen und ausradieren. Die Katholiken hatten den Dreh raus. Sie beichteten. Und mit jeder Beichte war alles ungeschehen gemacht, und sie standen wieder ganz am Anfang. Aber selbst das wäre nicht genug. Er würde etwas weit Drastischeres unternehmen müssen.
âHeute Morgen, als ich gerade aus dem Haus gehen wollte, ratet mal, was mich mein Vater da gefragt hat?â, sagte Asmaan. âEs ist ein bisschen schwer zu verstehen, was er sagen will, besonders morgens, wenn seine Zunge noch träger ist als normal, und ich musste ihn bitten, es zu wiederholen. So was kann ihn richtig in Rage bringen, aber ich habe es geschafft, ihn mit einer Tafel Schokolade zu besänftigen, die er liebt, aber eigentlich gar nicht essen darf. Er fing ganz harmlos an; vielleicht hat er mich deshalb so überrumpelt. âTöchterchenâ, sagte er, âich will doch hoffen, dass du fünf Mal am Tag Namaz verrichtest und dich nicht wegen deiner Arbeit davon abhalten lässt.â
Ich hätte groÃe Lust gehabt, ihn zu fragen, ob er das gemacht hat, als er noch am Hafen arbeitete. Und wenn es ihm auf einmal so wichtig ist, dass ich Namaz verrichte, wie kommt es, dass weder er noch sein einziger Sohn, noch sonst jemand im Haus sich darum schert? Aber ich bin eine listige kleine Hexe und weiÃ, wann ich besser den Mund halten sollte. Ich antwortete: âJa, Papa. Ich bete regelmäÃig fünf Mal am Tag.â
Vielleicht glaubte er mir, vielleicht auch nicht, aber er war noch nicht ganz fertig. Er kratzte sich mit seiner funktionierenden Hand am Hodensack, sah mich unschuldig an und erklärte mir, er habe meine Mutter aufgefordert, mir zwei schwarze Burkas zu besorgen. Von morgen an dürfe ich nur unter der Bedingung vor die Kamera treten, dass man mir erlaubt, die Kleidung zu tragen, die der Prophet selbst empfohlen hat. Ich habe ihn zuckersüà angelächelt und versprochen, dass ich mein Bestes tun würde, auch wenn das ein bisschen schwierig werden könnte. Doch er hatte ein noch zuckersüÃeres Lächeln parat und sagte, dass ab morgen mein Bruder Yaqub mich zu allen Drehs begleiten würde, damit Regisseur und Produzent kapierten, dass ich aus einer pak -Familie komme und niemand sich an meiner jungfräulichen Reinheit vergreifen dürfe.
Das ist allerdings noch nicht das Ende der Geschichte. Mein Bruder war nämlich etwas anderer Meinung. âVon wem reden Sie?â, fragte er Papa aggressiv. âVon dieser Hure, die für jeden Dahergelaufenen die Röcke hebt, von den Stars bis hin zu den Beleuchtern und den Sweepern auf dem Set? Sie ist eine Schande für unsere Familie, weil Sie nicht so vernünftig waren, sie an die Kandare zu nehmen! Wenn Sie die Ehre unserer Familie wiederherstellen und Ihre übrigen Töchter an den Mann bringen wollen, haben Sie keine andere Wahl, als dieses Miststück zu steinigen und ihren Kadaver den Geiern zum Fraà hinzuwerfen!â
Und während er lautstark die Ehre der Familie verteidigte, blickte Mama dieses Alphamännchen, das sie geschlagene neun Monate unter ihrem Herzen getragen hatte, anbetend an. Doch jetzt kommt der Teil, den ich am besten finde. Er wandte sich zu mir und sagte: âGib mir siebzig Rupien, Asmaan. Ich muss einem Freund ein Geburtstagsgeschenk kaufen.â
Also, meine lieben Freunde, ich schlage vor, dass ihr heute noch eure Augen an
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