Die Statisten - Roman
meiner unvergleichlichen Schönheit weidet, denn ab morgen wird Bollywood die erste Burka tragende Statistin der Welt kennenlernen!â
Ravan und Eddie wussten nicht, wie sie reagieren sollten. Asmaan sah die beiden mit theatralischer Betroffenheit an. âReingefallen, oder? Sagt nur nicht, dass ihr mir diese rührselige Geschichte abgekauft habt! Die ist für das Drehbuch, an dem ich zusammen mit Yaqub arbeite. Nicht schlecht, was? Wenn die bei zwei hartgesottenen Zynikern wie euch gewirkt hat, dann kann sie nur ein Kassenschlager werden!â
Schon im nächsten Moment war das schelmische Funkeln in ihren Augen verschwunden.
âBringt mir Taekwondo bei. Bringt mir bei, wie ich mich verteidigen kann.â
Machte sie Witze? Oder meinte sie es ernst? Ravan und Eddie sahen sie verwirrt an; sie wollten nicht tiefer in ihr Privatleben eindringen, doch zugleich waren sie unsicher, ob sie sie erneut auf den Arm nahm.
âIch zahle dafür, Herrgott! Wenn ihr euch sträubt, kann ich auch in einen richtigen Kurs gehen!â
âRavan macht Taekwondo. Ich fahre mehr auf der traditionellen indischen Schiene, Kalaripayattu, Malkhamb.â
âNa und, kann ich nicht beides lernen?â
Es dauerte nicht lange, bis sich herumgesprochen hatte, dass Eddie und Ravan Asmaan in Kampfsport unterrichteten. Schon bei der vierten Ãbungsstunde hatten sich weitere achtundzwanzig Statisten dem Training angeschlossen, und die Zahlen stiegen, da es zuletzt zwingend notwendig geworden war, dass Leinwandhelden in erster Linie Stuntmen und, wenn überhaupt, nur nebenher Schauspieler waren. Keine Kämpfe, kein Film; so einfach und schlicht lautete die Gleichung. Mutter und Vater dieser neuen Art von Film war Bruce Lees âDer Mann mit der Todeskralleâ, und der Sammelbegriff für jede Action-Sequenz, in der gedroschen, geboxt, gesprungen und gekickt wurde, war seitdem âKung-Fuâ. Niemand in der Hindi-Filmbranche hatte geglaubt, dass âDer Mann mit der Todeskralleâ nicht nur fast jeden Besucherrekord für einen ausländischen Film in Indien brechen, sondern auch zur absolut unerlässlichen Zutat für die einheimische Kost werden würde. Wie chinesisches Essen, war er gekreuzt und bastardiert worden, bis es als nichts anderes durchgehen konnte als ein zu hundert Prozent indischer Beitrag zur Filmkunst.
In groÃer Eile musste ein neuer Name für die Tätigkeit der Männer erfunden werden, die die Stunts entwarfen, choreographierten und leiteten. Die Lösung war einfach: Die neue Kategorie wurde âKämpfeâ genannt und kam im Abspann gewöhnlich irgendwo zwischen âDrehbuchâ und âMusikâ. Die ersten Meister waren durch einen seltsamen Zufall fast durchweg Südinder, mit Namen wie Shetty, Devgan, âSandowâ Chinappa Devar. Das Qualitätsspektrum der Stunts reichte von gekonnt über schlecht bis zu unsäglich, was jedoch niemanden zu stören schien. Das Blut von überzeugender Unechtheit floss in Strömen. Die Klangeffekte waren ohrenbetäubend, und das Publikum war dankbar, besinnungslos geprügelt zu werden, während der sozial benachteiligte Held mit den hundertsechsundsiebzigtausenddreihundertfünfundvierzig Schurken todesmutig den Kampf aufnahm und daraus siegreich hervorging.
Seltsamerweise nahmen ebenso viele Frauen wie Männer an Ravan und Eddies Ãbungsstunden teil. Wann immer ClickClick Kapil eine freie Minute hatte, kam er mit seiner Kleinbildkamera hinzu und schoss Fotos. Wenn Ravan oder Eddie einen besonders komplexen Bewegungsablauf vorführten, schloss er einen Motor Drive an seine Kamera an und lieà es nur so rattern, bis er die ganze Sequenz fast wie einen Film aufs Zelluloid gebannt hatte. Einmal hatte Jeetendra, ein B-Superstar, einige Minuten bei ihnen mitgemacht, aber der richtige Knaller war gewesen, als Dharmendra â oder Garam-Dharam, wie ihn die Klatschzeitschriften titulierten â eines Nachmittags aufkreuzte, sich zu den anderen stellte und die gesamte Trainingsstunde absolvierte.
An den Tagen, an denen Eddie unterrichtete, gesellte sich Ravan zu dessen Schülern, und umgekehrt. Ravan fragte sich, warum er nicht schon früher auf diese Idee gekommen war. Eddies Bewegungen zu folgen, bedeutete, eine ganz neue Sichtweise auf die Welt zu entwickeln, und natürlich würde es die Bandbreite seiner eigenen Kampftechniken erweitern. Die zwei Künste waren
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