Die Statisten - Roman
grundverschieden und zugleich doch sehr ähnlich. Bei beiden ging es darum, den Körper zu zügeln und sich aufs ÃuÃerste zu konzentrieren, so wie das Sonnenlicht durch eine Linse gebündelt wird, um Feuer zu erzeugen. Aber all diese eingeübte Präzision hatte noch ein höheres Ziel: über die Kontrolle des Körpers hinauszugehen und zur Kontrolle des Geistes zu gelangen. Es machte Ravan wütend, dass seine neuen Schüler Taekwondo und Eddies Kalaripayattu mit Kung-Fu in einen Topf warfen. Waren sie nicht stolz darauf, was sie machten? Sahen sie nicht den Unterschied zwischen diesen drei Kampfkünsten, deren jeweiliger Zugang zur Kunst der Selbstverteidigung so grundsätzlich verschieden war? Eddie war diesbezüglich nicht toleranter, aber er hatte sich mit der Tatsache abgefunden, dass keiner seiner Schüler, egal ob Hindu, Muslim oder Christ, je etwas von einer uralten südindischen Schwertkampfkunst gehört hatte.
Ab und an holte Asmaan nach den Trainingsstunden mit Eddie und Ravan ihr Heft oder ihren Notizblock heraus und las ein Gedicht vor, das sie bereits vor Wochen oder auch nur einen Tag zuvor geschrieben hatte. Sie sagte immer, es sei für das unendliche Drehbuch, an dem sie arbeite. Die Texte waren in der Regel lustig: ironisch, zynisch oder schlicht witzig, aber oft mit einer boshaften Pointe. Manchmal vertonte Eddie ein Gedicht, das ihm besonders gefallen hatte, und zu anderen Gelegenheiten schrammelte Ravan auf seiner Bulbul Tarang herum und holte ein, zwei Melodien heraus, und dann jammten sie einfach drauflos. Einmal, spätabends, sie hatten gerade eine Pause während des Drehs einer Tanzsequenz auf dem Strand von Malwan, sah Asmaan die beiden mit einem geheimnisvollen Lächeln an.
âSagt ihr mir, was ihr davon haltet?â
âWovon?â, fragte Eddie.
âVon einer Sache, an der ich vor ein paar Monaten mal herumprobiert habe.â
Diesmal hatte sie weder Heft noch Notizblock, nicht einmal ein Blatt Papier dabei, von dem sie hätte ablesen können. Sie hatte alles auswendig gelernt. Und anders als ihre bisherigen Gedichte, die sie souverän und munter vortrug, lieferte sie dieses mit einer tonlosen Stimme ab, wie ein Gebet, ein Gebet, das, je weiter es fortschritt, desto düsterer klang.
âEs heiÃt âTera kya hoga Bhagvaanâ.â
Was wird nur aus dir werden, Herr?
Wer wird einen Gedanken noch an dich verschwenden?
Du bist unser Heil und unsre Zuflucht Du bist das Licht und Alles, was recht ist.
Du bist dies, du bist das.
Du bist der Spender von allem, was gut ist,
Und der Beseitiger von allen Hindernissen.
Du bist allmächtig, allerbarmend, allmitleidig, allfreigebig.
Du bist unsre allvermögende Kummerkastentante,
Du bist der GröÃte, die Nummer eins,
Du bist der Ein- und Einzige,
Der Boss der Bosse, der Obermacker,
Generaldirektor des Kosmos,
Der groÃe dicke Frieden stiftende Schnuller am Himmel.
Wie kommtâs, dass dir die Ohren noch nicht abgefallen sind Von all den Lobeshymnen,
Oder ist es nur Geschwafel,
Rund um die Uhr, Jahr für Jahr?
Vielleicht sind sieâs ja doch,
Und du bist taub geworden.
Und dein Hirn zu Mus.
Wir bringen dir Blumen dar,
Kleiden dich in Gold und Diamanten,
Schmücken dich mit Rubinen und Smaragden.
Wir kreuzigen dich und Krönen dich zum Schah-in-Schah,
Zum Kaiser der drei Welten.
Aber wie du besser weiÃt als jeder andere,
Gibt es keine Gratisgeschenke.
Es ist ein simpler Kuhhandel,
Gefälligkeit gegen Gefälligkeit
Auch wenn du nie um welche bittest.
Schenk mir einen Sohn.
Schenk mir einen Wagen.
Schenk mir eine Sechszimmerwohnung.
Miss Universum als Gemahlin.
Schenk mir einen Riesenpimmel
Vom Boden bis zum Himmel
Schenk mir einen Palast.
Schenk mir einen Jumbo-Jet, ganz für mich allein.
Blas meine Möpse auf.
Verpass mir den perfekten Knackarsch.
Mach mich sexy.
Mach mich elfengleich.
Mach mich zu jedes Mannes Mädchentraum
Mach mich zum Sterben schön.
Mach mich zu Miss Universum.
Mach mich zum neusten Ober-super-hyper-Star am Firmament.
Was wird nur aus dir werden, Herr?
Wer wird einen Gedanken noch an dich verschwenden?
Hörst du überhaupt zu, Mann?
Was ist bloà los mit dir?
Noch nie was von Fairness gehört?
Mein Nachbar wird drei Mal befördert,
Ich bleib da, wo ich bin.
Ich krieg vier Töchter,
Er zeugt drei Söhne.
Ich fahr eine Vespa,
Er lässt sich im
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