Die Statisten - Roman
Frau haben!â
âIch traue der groÃen Entfernung nicht, Eddie. Und der Zeit traue ich noch weniger. Vielleicht werde ich mich irgendwann einsam fühlen, so einsam, dass ich zu jedem beliebigen Mann, der lieb zu mir ist, Ja sage, selbst wenn ich mir nichts aus ihm mache. Dir könnte es genauso gehen, wer weiÃ.â
âDu wirst mir entsetzlich fehlen, aber ich gebe dir mein Wort, ich werde auf dich warten.â
âJa, vielleicht. Aber lass es uns nicht auf einen Test ankommen. Das ist die Sache nicht wert. Meine Eltern sind darauf versessen, dort hinzuziehen, nicht ich. Meine Heimat ist hier. Lass uns jetzt heiraten, spätestens in zwei Wochen.â
âWo sollen wir dann wohnen, Belle? Meine Wohnung ist zu klein, du würdest es unerträglich finden. Meine Mutter wird dir auch keinen besonders herzlichen Empfang bereiten. Und deine Eltern werden nie im Leben akzeptieren, dass ich mich bei euch einquartiere.â
âWir können uns was am Stadtrand mieten. Ich hab gehört, für eine Kaution von ein paar Tausend bekommt man in Goregaon eine Zweizimmerwohnung.â
âHast du schon mal eine dieser Bruchbuden gesehen, Belle? Das sind Rattenlöcher, noch viel schlimmer als da, wo ich wohne. Du würdest es keinen Tag aushalten.â
âWenn wir zusammen sind, schon. Alles ist besser als wegzugehen.â
âWo werden wir das Geld dafür herbekommen?â
âSag Ja, Eddie. Bitte, sag Ja.â
Eddie sah Ravan vor dem Irani Café Light of India auf ihn warten und runzelte die Stirn. Er hatte angenommen, Pawar (wie er Ravan nannte, wenn er auf ihn stinkig war) hätte die saublöde Priester-Inkarnation abgestreift. Dem war offenbar nicht so. Heute, nach zweieinhalb Monaten, erschien er wieder in seinem klerikalen Gewand. Jemand sollte in der Lage sein, den Scharlatan seines Amtes zu entheben und zur Vernunft zu bringen. Bis vor ein paar Monaten war mit ihm alles in Ordnung gewesen; sie waren besser miteinander ausgekommen, als beide es sich jemals hätten vorstellen können. Obwohl sie so lange als Nachbarn in nächster Nähe gewohnt hatten, war es für sie all die Jahre unvorstellbar gewesen, sich zu grüÃen oder sich gar ein frohes neues Jahr zu wünschen. Doch als der Zufall sie zusammengebracht hatte, war ihnen rasch aufgegangen, dass sie nichts gegeneinander hatten. Wie unterschiedlich ihr jeweiliger musikalischer Werdegang und ihre Vorbilder auch waren, so schienen sie doch eine gemeinsame musikalische Sprache zu sprechen.
Dann hatte Ravan beschlossen, dem Rest der Menschheit Jesus nahezubringen und sie auf diese Weise zu erretten. Eddie war nicht unglücklich, dass Jesus in Ravans Leben getreten war. Aber es störte ihn, dass er so von seiner Tugendhaftigkeit durchdrungen war und einem mit seinem frömmelnden Gerede ständig auf den Sack ging. Nein, er konnte gern darauf verzichten, auf Schritt und Tritt gerettet zu werden.
âWas plagt dich, Eddie?â, fragte Ravan mit salbungsvoller Stimme, die er sich neuerdings für derlei Anlässe zugelegt hatte. âIch sehe doch, dass deine Seele in Bedrängnis ist.â
Eddie sah ihn säuerlich an. âWillst du wirklich, dass ich dir mein Herz öffne, Ravan?â
âAber natürlich. Ich bin dein Freund. Der wahre Freund zeigt sich erst in der Not.â
âWas mich quält, Ravan, bist du. Seit du dich aufgemacht hast, jedermanns Seele zu retten, bist du absolut unerträglich.â
âIch vergebe dir, Eddie. Es ist so viel Kummer und Leid in deinem Herzen, dass du nicht weiÃt, was du sagst.â
âMag sein, dass ich so unglücklich bin wie nie zuvor, und vielleicht habe ich mir mein Unglück selbst zuzuschreiben. Aber eines kannst du mir glauben: Es ist nichts verglichen mit den Qualen, die mir deine Pseudopredigten bereiten.â
âSetze dich mit unserem Herrn in Verbindung, Eddie. Sprich zu ihm. Ich tue das andauernd. Du brauchst kein Telefon, um Ihn an die Strippe zu bekommen. Er ist rund um die Uhr bereit. Er wird dich durch diese stürmischen Zeiten führen!â
âWeiÃt du, zu was du geworden bist, Ravan? Zu einem Vollzeit-Papagei, einer Parodie von Pater Agnello, der, auch wenn er ein guter Mensch ist, selbst schon als Parodie daherkommt.â
Eddie war zugleich zornig und verzweifelt und er fühlte sich im Stich gelassen. Wäre Ravan noch der Alte gewesen, statt dieses unerträgliche
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