Die Statisten - Roman
Beifahrersitz.
âReden Sie mit mir?â
âNein, mit den elfhundert anderen Ex-Möchtegern-Priestern, die dieses Taxi fahren.â Ravan wich ihrem Blick aus. âSie haben meine Frage nicht beantwortet. Weshalb weichen Sie mir aus? Wann immer Sie mich sehen, schauen Sie sofort in die andere Richtung oder nehmen ReiÃaus, als sei ich die Pest in Person!â
âIch?â
âSie sind ein unheimlich schlechter Schauspieler, Ravan! Kein Wunder, dass Sie es nicht geschafft haben. Schalten Sie jetzt das Taxameter ein, oder haben Sie vor, mir eine Freifahrt zu spendieren?â
Das war nicht die Pieta, die er all die Jahre lang gekannt hatte. Die andere war spröde gewesen und hatte meist den Blickkontakt gemieden. Diese neue Version hatte ein spitzbübisches Funkeln in den Augen und genoss es offenkundig zu sehen, wie er sich unter ihren Sticheleien wand. Mit der Reservierten, der, die ihm gesagt hatte, er sei widerlich, war er besser klargekommen.
âIch hatte eigentlich vorgehabt, für heute Schluss zu machen.â
âIch bin der erste Fahrgast des Tages, und Sie erzählen mir, Sie wollen schon Feierabend machen und nach Hause gehen? Versuchen Sie wenigstens, sich eine etwas glaubwürdigere Lüge auszudenken. Fahren Sie. Ich kann hier nicht den ganzen Tag warten.â
âWohin wollen Sie?â
âMmh, ich weià nicht. Sie sind der Fahrer, Sie sollten wissen, wo es langgeht.â
Ravan sah sie verwirrt an. âWollen Sie denn nicht ins Büro?â
âHören Sie auf, ständig Fragen zu stellen! Fahren Sie.â
âWohin?â Ravan lieà den Motor an.
âNach Worli, ans Meer.â
Ravan warf ihr einen verstohlenen Blick zu. Sie sah ihn an. âIst mit Ihnen alles in Ordnung?â
âVielleicht heuere ich Sie für den ganzen Tag an, und Sie können mir Bombay zeigen. Wenn ichâs mir recht überlege, sollte ich Sie lebenslänglich anheuern, dann könnten wir eine Indien-Tour machen.â
âMiss Coutinho, machen Sie sich bitte nicht über mich lustig.â
âAber Sie dürfen mich zum Narren halten, wenn Sie behaupten, Katholik werden zu wollen, und in einem Priesterrock herumlaufen â das ist okay, ja?â
âDas ist das Letzte, was ich wollte! Wenn ich überhaupt jemanden zum Narren gehalten habe, dann mich selbst. Meine Mutter hat mich gewarnt, aber ich war einfach zu durcheinander. Wahrscheinlich war ich verzweifelt und habe versucht, Ihre Aufmerksamkeit zu erregen.â
âUnd warum wollten Sie meine Aufmerksamkeit erregen?â
âEs tut mir leid. Bitte verzeihen Sie mir.â
âSie haben mir noch nicht gesagt, warum.â
âIch glaube, das Warum hat meine Mutter klargemacht, als sie mit einem Heiratsangebot zu Ihnen kam. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mich im Krankenhaus zurechtgestutzt und wieder zur Vernunft gebracht haben. Ich verspreche, ich werde Sie nie wieder belästigen.â
âSie haben also nicht den Mumm, mich selbst zu fragen? Sie dachten sich, Sie könnten stattdessen Ihre arme Mutter raufschicken? Oder haben Sie sich einfach einen Spaà gemacht?â
Ravan krümmte sich unter der Breitseite von Vorwürfen und versuchte, etwas zu sagen, aber seine Stimme war zu einem bloÃen Flüstern geschrumpft.
âReden Sie schon!â
Es war noch immer ein Flüstern, aber jetzt konnte Pieta immerhin die Worte ausmachen. âIch habe noch nie etwas so ernst gemeint.â
âJetzt meinen Sie es also nicht mehr ernst?â
Was sollte er tun? Welchen Gang sollte er einlegen, damit Pieta aufhörte, ihm die Worte im Mund zu verdrehen? Sie hatte ihn in die Ecke bugsiert, und er wusste nicht, wie er da wieder herauskommen sollte.
âFahren Sie mich ins Büro.â
âSollen wir heute anfangen?â, fragte Ravan Asmaan, als sie nach langer Genesungszeit wieder erschien.
âWomit?â, fragte sie zerstreut. Asmaan sah, wie er sie anstarrte, und lächelte. âMit unserer längst überfälligen Affäre?â
Na ja, wenigstens hatte sie ihren Sinn für Humor nicht verloren.
âMit dem Unterricht in Selbstverteidigung.â
âWozu? Was hat mir dein Taekwondo oder Eddies Kalaripayattu genützt? Yaqub hat mich windelweich geprügelt, und ich konnte nichts dagegen tun. Nicht einmal eine schlappe Geste der Gegenwehr.â
âIch kann dir nichts versprechen. Im wirklichen Leben geht
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