Die Statisten - Roman
bei ManiyarSir aneckt, den stellt keiner mehr ein.â
âWas geht uns das an? Kein Mensch hat die leiseste Ahnung, dass wir die letzte Kampfsequenz in ,Bharatâ gemacht haben!â
Ravan und Eddie waren verzweifelt, und das mit gutem Grund. Wenn es ihnen nicht gelang, aus der erhaltenen Chance Kapital zu schlagen, würden sie nie eine zweite bekommen. Es blieb ihnen eine einzige Möglichkeit: Sie mussten ManiyarSir sprechen. So schwierig konnte das eigentlich nicht sein. Während des Drehs der zwölfeinhalbminütigen Kampfsequenz hatten sie zwei ganze Tage gemeinsam mit ihm verbracht. Sie versuchten, ManiyarSir telefonisch zu sprechen, aber er war entweder in einem Meeting oder soeben nach London, Dubai oder Los Angeles abgeflogen. Zwei Mal waren sie ihm kurz begegnet, ein Mal, als sie zusammen mit fünfundvierzig anderen Statisten für ManiyarSirs neuen Film tanzten, aber er hatte sie nur ausdruckslos angeschaut und gefragt, ob er sie schon mal gesehen hätte, denn er könne ihre Gesichter nicht unterbringen.
âUnd wenn ihr jetzt entschuldigt â¦â Im nächsten Moment war er verschwunden. Als sie versuchten, ihm zu folgen, trat ihnen der Produzent des Films in den Weg.
âWir möchten ManiyarSir sprechen, nicht Sie.â
âEr ist beschäftigt. Der Einzige, den ihr zu sprechen kriegt, bin ich.â
âSie verstehen nicht. Er schuldet uns Geld.â
âDas geht nur ihn und euch etwas an. Aber jetzt kostet ihr mich Geld. Dreitausendsiebenhundert Rupien für jede unproduktive Minute. Also haut ab. Sofort. Sonst rufe ich den Sicherheitsdienst und lass euch rausschmeiÃen.â
Die zweite Gelegenheit bot sich vor ManiyarSirs Bungalow, als das ferngesteuerte Tor sich geöffnet hatte, damit sein Auto das Anwesen verlassen konnte. Um ein Haar wären sie überfahren worden, da sie, wie der Fahrer später angab, scheinbar wild darauf gewesen seien, sich vor die Räder zu werfen. Es war pures Glück, dass ManiyarSir mit seiner stets bewundernswerten Geistesgegenwart dem Fahrer befahl zu bremsen. Danach kam es zu einem Wortwechsel. Der berühmte Regisseur, der seine Storys und Drehbücher selbst schrieb, litt noch immer an der gleichen praktischen Form von Amnesie, die ihn das letzte Mal befallen hatte, doch wie stets war er der Inbegriff von Höflichkeit und Courtoisie. Er kurbelte das Fenster herunter und fragte, was sie wollten. Als Eddie von dem Geld sprach, das ihnen für den Entscheidungskampf zwischen dem Helden und dem Schurken in seinem Film âBharatâ zustünde, erwiderte er, soweit er sich erinnere, habe in dem Film Pappu Raghavan bei den Kämpfen Regie geführt. Sollten sie jedoch, fügte er huldvoll hinzu, wie sie behaupteten, tatsächlich für diese eine Sequenz verantwortlich sein, dann hatten sie doch gewiss einen Vertrag. Wenn sie diesen in seinem Büro vorlegten, würde er dafür sorgen, dass sie ihr Geld bekämen.
Wann immer er an ManiyarSir dachte, spürte Eddie eine heftige Wut in sich aufsteigen, aber er hatte keine Ahnung, wie er es dem Mann hätte heimzahlen und ihn für den miesen Trick, den er mit Ravan und ihm abgezogen hatte, hätte büÃen lassen können. Er fragte sich, ob Ravan nicht im Grunde ein Weichei war, wenn nicht gar ein regelrechter Feigling. Er schien keinerlei Kampfgeist zu haben â wenngleich Eddie selbst nicht hätte sagen können, was er genau damit meinte. Erwartete er von Ravan etwa, dass er mit Kriegsgeschrei in ManiyarSirs Bungalow in Pali Hill stürmte und dem Mann Säure ins Gesicht schüttete oder ihm den Kopf abhackte? Oder erwartete er nur von ihm, dass er mindestens ebenso oft und lautstark jammerte und klagte, wie er selbst? Allmählich wurde Eddie bewusst, dass all seine Wut und seine Magengeschwüre völlig für die Katz waren. Herrgott noch mal, das hier war die Hindi-Filmindustrie! Es war ihre eigene Schuld, wenn sie so naiv gewesen waren. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Stolz hinunterzuschlucken, seine Rachephantasien auf den Müll zu werfen und weiterzuziehen.
Weiterziehen. Klar doch. Eddie lächelte bitter in sich hinein. Die einzige Frage war: wohin?
25
âWarum versuchen Sie dauernd, mir aus dem Weg zu gehen, Hochwürden?â Pieta öffnete die Tür des Taxis, bevor Ravan mit quietschenden Reifen die Flucht ergreifen konnte, und setzte sich auf den
Weitere Kostenlose Bücher