Die Statisten - Roman
Mal auch weder an meinen Namen noch an mich erinnern, obwohl wir bei unserer ersten Begegnung auf dem Set in Mauritius miteinander getanzt hatten!â
Asmaan sah, dass Ravan zusammenzuckte. âIch werde allmählich zu einer bösen alten Zicke, stimmtâs?â
Nicht halb so böse wie Eddie in letzter Zeit, dachte Ravan, obwohl er zugeben musste, dass Asmaan sich geändert hatte. Sie redete nicht mehr über ihr episches Dreihundert-Stunden-Drehbuch, noch erzählte sie lustige Anekdoten über ihre Familie. Yaqub hatte ihr nicht nur jeden erreichbaren Knochen im Leib gebrochen, sondern auch ihre Lebensfreude.
Ravan hatte gehofft, Eddie würde ihm helfen, Asmaan wieder auf die Beine zu bringen. Das einzige Problem war, dass Eddie zurzeit in einer noch weitaus schlechteren seelischen Verfassung war als Asmaan. Er hatte angefangen, Drehtermine zu versäumen, und Ravan musste sich jedes Mal das Hirn zermartern, um Cousins und Onkel und GroÃeltern für ihn zu erfinden, die einen Herzstillstand erlitten hatten, einem tragischen Unfall zum Opfer gefallen waren oder Selbstmord begangen hatten. Wenn Eddie doch aufkreuzte, dann entweder zu spät und unrasiert oder in aggressiver Stimmung, bereit, sich mit jedem anzulegen, der versuchte, freundlich zu sein, oder ihm einfach nur zufällig über den Weg lief.
Fast ein Jahr lang hatte Belle ihm wenigstens zweimal die Woche geschrieben. Sie fühlte sich einsam in London, vermisste Bombay und vermisste ihn sogar noch mehr. Sie hasste ihren Job im GroÃraumbüro, wo sie als Zeitarbeitskraft eingesetzt wurde. Die anderen Frauen waren demonstrativ freundlich zu ihr und schlossen sie ebenso demonstrativ von ihren Tratsch-Sessions und ihren gemeinsamen Abenden in der Stadt aus. Sie fand es unerträglich, dass ihre Hauswirtin das Wasser rationierte und sie nur einmal die Woche duschen durfte, und das auch nur lauwarm. Die angloindischen Briten rümpften die Nase über die Inder in Southall, die ihnen ihre Freundlichkeit von Herzen erwiderten. Die verschiedenen Sprachgruppen aus dem Mutterland â Tamil-, Bengali-, Marathi-, Panjabi-, Telugu- und Gujarati-Sprechende â sahen allesamt aufeinander herab. Sie fuhren zurück in die Heimat, um Bräute für ihre Söhne zu finden und ihre Töchter mit irgendeinem Bauern oder kleinen Beamten zu verheiraten, und beteten darum, dass dieser und dessen Mutter die Braut nicht mit Kerosin übergieÃen und anstecken würden, weil sie nicht hellhäutig genug war, nicht mehr als die vereinbarte Mitgift ins Haus gebracht hatte, nur Töchter gebar oder ihrem Mann keinen Job im Westen beschaffte.
Die Inder, berichtete sie ihm, waren wütend darüber, dass die ScheiÃweiÃen nicht zwischen Pakistanis und Bangladeshis auf der einen und ihnen auf der anderen Seite unterscheiden konnten, weshalb sie ebenso Opfer von Paki-bashing wurden wie die beiden anderen Gruppen. Sie sehnte sich nach Zuhause und schrieb, dass sie, hätte sie erst einmal genug Geld zusammengespart, in die nächste Maschine nach Bombay steigen und nie wieder nach England zurückkehren würde â es sei denn, Eddie wollte der Queen mal Hallo sagen und den Koh-i-Noor aus dem Tower klauen.
Belles Mutter war ein unersättlicher Bücherwurm. Es war für sie undenkbar, ins Bett zu gehen, ohne sich vorher wenigstens ein Mills-&-Boon-Romänchen reingezogen zu haben. âVom Winde verwehtâ hatte sie siebzehn Mal gelesen, und so war sie auf den Namen Belle gekommen. Ihr Idol war Georgette Heyer. Sie hatte jeden Roman verschlungen, den Miss Heyer je geschrieben hatte. Ihre Mutter hatte niemals daran gezweifelt, dass man, um GroÃbritannien â seine Sitten und Gebräuche, seine Kultur, seine Wertvorstellungen, mit einem Wort: die britische Seele â kennenzulernen, lediglich die Lady gewissenhaft studieren musste. Ihre Lektüre hatte sie gelehrt, dass Belle, um sich einen Herzog, Baronet oder Earl zu angeln, nur schön, lebhaft und schlagfertig zu sein brauchte â was Belle mit Sicherheit auch war.
Gelegentlich kam Belles verschmitzte Ader von früher wieder zum Vorschein, und um den hartnäckigen Nachfragen ihrer Mutter nach ihrem âVerabredungskalenderâ für den Monat ein Ende zu machen, teilte sie ihr mit, der Earl of Somerset, Lord Asquith-Parker-Melbourne, Englands allererster Lord mit einem dreistelligen Namen, habe um ihre Hand angehalten. Mrs McIntyre
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